Asbeststaub (Erkrankungen an Lunge und Pleura)

Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura

Asbesterkrankungen nach der Liste:

Hinweis: Die Liste ist in Ansehung der darin aufgenommenen Asbesterkrankungen durchaus nicht vollständig, wenn Sie an sonstige Krebserkrankungen des Nasen- und Rachenraumes, des Magen- und Darmtraktes, des Blutes usw. denken.

Wenn Sie im Tierversuch in eine Ratte Asbest injizieren, wandert der Asbest offenbar in nachgerade alle Körperteile. Es kommen Mehrfrontentumore vor. Womöglich ist deshalb kein Kraut etwa gegen das Asbestmesotheliom gewachsen.

Weiterer Hinweis: Die Stichtage der in der Liste enthaltenen Erweiterungen, z.B. Asbestlungenkrebs auch dann, wenn mindestens 25 Asbestfaserjahre nachgewiesen werden, Kehlkopfkrebs, wenn zusätzlich eine Minimalasbestose, eine Pleuraasbestose oder 25 sogenannte Asbestfaserjahre feststellbar sind, sind äußerst knapp gesetzt, sodaß gegenwärtig ein Asbestlungenkrebs, bei dem sogar 60 sogenannte Asbestfaserjahre bewiesen sind, nicht entschädigt wird gegenüber Witwe und Waisen, wenn der Versicherte vor dem 01.04.1988 verstorben ist.

Das Leid der beruflich Asbesterkrankten soll offenbar kein Ende nehmen. Nehmen wir an, Sie gehören zu den Hunderten gleichgelagerten Fällen, in denen man jährlich eine Asbestose der Lunge oder Pleura dem Grunde nach anerkennt. Was haben Sie davon, wenn die Berufsgenossenschaft dann aber die Gewährung einer Verletztenrente genau wie bei Ihren Hunderten von Leidensgenossen jährlich ablehnt. Ausgerechnet bei den schlimmen Fällen der Staublunge (Asbestose, Silikose) unterlassen die Berufsgenossenschaften mit gerichtlichem Segen die sogenannte abstrakte Schadensberechnung. Beim Vergleich der Erwerbsmöglichkeiten, die nach dem Auftreten der Asbestose auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dem Betroffenen verbleiben, dürften angeblich nicht die aus prophylaktischen Gründen entfallenen Arbeitsmöglichkeiten mitgezählt werden. Dieser Verlust an Erwerbsmöglichkeiten wäre nicht funktionsbedingt, sondern, wie dann das Sozialgericht Gelsenkirchen feststellt, sogar nur ein „künftiger“ Schaden. Angemerkt sei, daß in den 70er Jahren ein Bruch in der Berentung von Asbestosen und Silikosen einsetzte, wonach nunmehr eine früher im vergleichbaren Fall mit 70 % bewertete Asbestose „streng funktionsdiagnostisch“ nur noch 20 % betragen sollte. Ein früherer Staatlicher Gewerbearzt hat zu diesem Thema eingewandt, man habe doch früher auch funktionsdiagnostisch geurteilt. Die geringeren MdE-Sätze, die dieser Bruch in der Praxis zur Folge hatte, sind anders als die Berufsgenossenschaften glauben machen wollten, kein Erfolg der Berufskrankheitsverhütung, sondern ein solcher aus der Reduzierung der Leistungen in vergleichbaren Fällen. Aber zurück zur abstrakten Schadensberechnung.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie das Sozialgericht Gelsenkirchen sogar auf den Gedanken verfällt, es handele sich bei dem Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für den beginnend Asbestosekranken um einen „künftigen“ Schaden.

Hinweis: Bei der Verletztenrente aus Arbeitsunfall oder Berufskrankheit wird nicht ein konkreter
Verdienstausfall des Betroffenen ermittelt, sondern der Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, was dann den Prozentsatz der Rente im Wege der sogenannten abstrakten Schadensberechnung ergibt, BSG Band 1, Seite 174.

Daß eine im groben Röntgenbild bereits erkennbare Asbestose eine Krankheit ist, schlimmer etwa als ein Schnupfen, ist auf den ersten Blick erkennbar. Daß dann im Falle der Diagnose einer Asbestose nachgerade schlagartig alle Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entfallen, die mit einem inhalativen Risiko verbunden sind, nach Schätzung der IG Metall waren seinerzeit etwa 10 Millionen Arbeitsplätze in den alten Bundesländern inhalativ belastet, kann gerichtlich nicht geleugnet werden. Dies ergibt dann versicherungsrechtlich als gegenwärtiger abstrakter Erwerbsschaden zutreffender Ansicht nach die rentenberechtigende MdE. Man darf den Asbestoseerkrankten nicht der Gefahr von Luftnot und Erstickungsanfällen dadurch aussetzen, daß man diesen gedanklich im inhalativ belastenden Bereich der Arbeitswelt beläßt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert darüber hinaus wegen der drohenden Gefahr einer Verschlimmerung einen sogenannten Progredienzzuschlag bei der MdE bzw. beim Rentensatz, der sich sehr gut aus der psychischen Anspannung des Betroffenen, bei dem eine Asbestose ärztlich festgestellt wird, begründen läßt und auch daraus, daß kein Arbeitgeber mehr im gewerblichen Bereich einen Asbestoseerkrankten einstellen dürfte bzw. würde. In einem Gerichtsurteil, in welchem etwa die MdE trotz Bestehens einer Asbestose verneint wird, findet sich normalerweise keine Auseinandersetzung mit dem Hinweis im Merkblatt des Bundesministers für Arbeit, „Röntgenologisch nachweisbare Veränderungen der Lungenasbestose können im Vergleich zu den bestehenden Funktionsstörungen der Atmung und des Kreislaufs relativ geringgradig sein.“ Auch die Gutacher in einem Asbestosefall setzen sich hiermit in der Praxis nicht auseinander. Stattdessen wird auf eine schicksalhafte Atemwegserkrankung anderer Art abgehoben, die Luftnot des Betroffenen würde sich durch ein Bronchial Asthma erklären usw.

Tip: Stellen Sie in einem solchen Fall zugleich Antrag bei der Berufsgenossenschaft auf Anerkennung und Entschädigung eines Asthma Bronchiale nach Nummern 4301/4302, siehe dazu weiter unten. Wo Asbest anfiel bei der Arbeit, können sehr wohl auch allergisierende Stäube bzw. chemisch irritative oder toxische Belastungen stattgefunden haben.

Ist die Asbestose schon fortgeschrittener, hat also der Betroffene trotz aller Widrigkeiten wegen seiner Tätigkeit im Blauasbest eine Asbestoserente von 20 % erreicht, was etwa 20 % des erzielten Nettoeinkommens entspräche, so wird in der Praxis nicht eben selten die Verletztenrente des Asbestoseerkrankten auf diesem mageren Satz gewissermaßen eingefroren. Früher mochte die Regel bei der Asbestose dahin gehen, daß zunächst 20 % MdE erreicht wurden, dann 40 % und schließlich der Betroffene bei diesem Rentensatz verstarb.

Tip: Geben Sie sich nicht mit einem Rentensatz von 40 % zufrieden bei der Asbestose. Ihr Erwerbsschaden dürfte erheblich höher liegen, wenn man die frühere Praxis, mit der man dann brach, zugrunde legt. Erst ab 50 % MdE gilt bei der Asbestose die gesetzliche Vermutung, daß der Tod Asbestosefolge ist. Dies wirkt wie eine Lebensversicherung für Ihre Familie.

Eine Ausnahme besteht hiervon dann, wenn unabhängig von der Berufskrankheit der Betroffene offenkundig durch eine andere Ursache zu Tode kam, Brand des Hauses, Verbrechen oder ähnliches.

Hinweis: Die Berufsgenossenschaft muß Ihre Frau oder Ihre Kinder umfassend beraten in einem solchen Fall und sie von Rechts wegen darüber aufzuklären, daß bei Vorliegen einer MdE von 50 % im Fall Ihrer Asbestose die gesetzliche Vermutung des Todes als Berufskrankheitsfolge gilt und deshalb eine Obduktion nicht erforderlich ist.

Die Berufsgenossenschaften scheinen aber gar nicht daran zu denken, diese Beratung den betroffenen Familien zuteil werden zu lassen. Stellt also die unglückliche Witwe den Antrag, zum Nachweis der Todesfolge ihres 60 % asbestosekrank gewesenen Mannes eine Obduktion durchzuführen, erfolgt keineswegs der berufsgenossenschaftliche Hinweis, dies wäre doch wegen der gesetzlichen Vermutung nicht erforderlich, sondern man veranlaßt berufsgenossenschaftlich stillschweigend die Obduktion. Das Ergebnis kann sein, daß man nun berufsgenossenschaftlich einwendet, der Versicherte, der im Zustand höchster Atemnot ins Krankenhaus eingeliefert worden war, wäre nicht daran gestorben, sondern an einer Gehirnerweichung.

Tip: Schlagen Sie den Rechtsweg in einem solchen Fall ein, wenn es sich um Ihren Ehemann handelte.

Daß offenkundig die Berufskrankheit nicht einmal mitursächlich in einem solchen Fall gewesen sein soll, ist mit der praktischen Lebenserfahrung beim besten Willen nicht in Einklang zu bringen. Bei dem sogenannten Offenkundigkeitsbeweis gegen die Vermutung des Todes als Berufskrankheitsfolge hat der Gesetzgeber tatsächlich an offenkundige Fälle gedacht und nicht an derartige Einwände. Diese gesetzliche Vermutung wurde eingeführt, weil es im Ruhrgebiet Unruhe in der Bevölkerung auslöste, daß die Berufsgenossenschaft bei Bergleuten selbst im Falle einer hohen MdE des Betroffenen aufgrund der Silikose es sich angelegen sein ließ, wegen der Witwenrente die Obduktion oder Exhumierung des Betroffenen vermehrt zu verlangen. Heute erreicht der Asbestoseerkrankte in der Praxis oft nicht einmal mehr die 40 % Asbestoserente, bevor er stirbt, sondern blieb nicht eben selten bei den 20 % Asbestoserente stehen. In einem solchen Fall mögen dann 100 % MdE aufgrund der Asbestose festgestellt werden, wenn der Betroffene obduziert wird, der als Isolierer in seinem Berufsleben mit Blauasbest oder Weißasbest umgegangen ist. Die Witwe als Sonderrechtsnachfolgerin hat dann Anspruch auf rückwirkende Erhöhung der Lebzeitenrente, sowie gegebenenfalls auf ein rückwirkendes Pflegegeld und zugleich wegen der gesetzlichen Vermutung Anspruch auf die Hinterbliebenenleistungen, insbesondere die Witwenrente, die neben den beiden Waisenrenten von jeweils 20 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes 40 % von diesem Bruttojahresarbeitsverdienst beträgt. Sind Sie im laufenden Asbestosefall, Sie mögen bei 20 % Asbestoserente angelangt sein oder aus früherer Zeit eine solche von 70 % beziehen, zu schwach oder zu alt, sich weiteren Nachuntersuchungen zu unterziehen, laufen Sie Gefahr, aus der berufsgenossenschaftlichen Betreuung herauszufallen.

Vorsicht: Der Gutachter führt in einem solchen Fall aus, eine Nachuntersuchung wäre nicht mehr möglich, und der Berufskrankheitssachbearbeiter notiert in der Akte: „Keine NU (Anmerkung: Nachuntersuchung) mehr“.

Daß eine weitere regelmäßige Betreuung möglich wäre in Form des Hausbesuches durch den Außendienst der Berufsgenossenschaft oder einen Arzt und dann die jeweilige MdE sowie sonstige Leistungen festgestellt werden können, wird bei einer solchen berufsgenossenschaftlichen Praxis nicht berücksichtigt. Dergleichen passiert sogar in dem Fall eines Angehörigen einer Firma, die früher mit Asbest isolierte und es bei einer seinerzeitigen Durchschnittsbelegschaft von 50 Mitarbeitern inzwischen auf mehr als 50 berufsgenossenschaftlich anerkannte Todesfälle gebracht hat. Während in der Praxis ansonsten bei einer Asbestose 3- oder 2-jährige Nachuntersuchungsintervalle die Regel sind, wäre als das Mindeste zu fordern, daß solche Intervalle höchstens ein Jahr betragen dürfen.

Hinweis: Ehemalige Asbestwerker nehmen grundsätzlich an nachgehenden Überwachungs-untersuchungen teil. Jedenfalls ist dies so vorgesehen. Die Fälle sind bei der Erfassungsstelle der Textil-BG, Augsburg erfaßt. Ausgenommen davon sind Gastarbeiter, die in das Heimatland zurückgekehrt sind, und offenbar nicht selten Gastarbeiter, die in Deutschland blieben.

Bei fehlender Betreuung respektive unterlassener Schwerverletztenbetreuung werden so die Weiterungen einer Asbestose und deren gefährliche Komplikationen, Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Mesotheliom etwa sowie das schlimme Spätstadium einer Asbestose durchaus übersehen und vernachlässigt.

Tip: Bei einer Asbestose können Sie grundsätzlich unbesorgt einen Verschlimmerungsantrag bei der Berufsgenossenschaft stellen. Die „Gefahr“, daß sich Ihre Asbestose gebessert hätte und deshalb die Rente entzogen werden könnte, besteht nicht. Die Ärzte sind der Auffassung, daß sich eine Asbestose nicht bessern kann.

Mit ausgerechnet dieser Begründung hat eine Berufsgenossenschaft einem Asbestoserentner von 20 % MdE diesem die Gewährung einer Kur verweigert, eine Therapie wäre zwecklos.

Tip: Legen Sie in einem solchen Fall Widerspruch ein.

Die berufsgenossenschaftliche Klinik in Bad Reichenhall, die Kuren bei Asbestose durchführt, ist dem Vernehmen nach da ganz anderer Meinung. Selbstverständlich kann Ihre Asbestose durch die Gewährung einer Kur nicht gebessert werden, wohl kann aber Schlimmerem vorgebeugt werden oder dieses hinausgezögert werden, wenn durch die Kur Ihre Konstitution ansonsten gefestigt wird. Man kann Sie dann auch besser auf den Umgang mit Ihrer Asbestose einstellen. Sie sollten auf jeden Fall das Rauchen einstellen. Ansonsten erhöhen Sie womöglich Ihr Todesfallrisiko hinsichtlich der Komplikation des Lungenkrebs vom Zehnfachen auf mehr als das Fünfzigfache. Schwer durch Asbest belastete Arbeitnehmer erfahren oft nicht die Verschlimmerung im Sinne der Krebsentstehung, sondern sterben aufgrund der Lungensteife durch die Asbestose zuvor an Auszehrung. Alles dies mag belegen, wie wichtig es wäre, daß die Berufsgenossenschaft rechtzeitig, dies könnte sogar bedeuten „vorzeitig“ die Dinge angeht, und zwar im Interesse der Asbestopfer. Dazu beitragen kann die sogenannte Schwerverletztenbetreuung einer Berufsgenossenschaft, d.h. deren Außendienst.

Statistik:

Jährlich werden ca. 4.000 Asbestosen angezeigt. Die Zahl der neuen Rentenfälle geht auf die 500 jährlich zu. Daß jährlich „nur“ ca. 50 Asbestosen tödlich ausgehen laut Statistik, liegt an den Komplikationen dieser Erkrankung in Form des Lungenkrebs insbesondere, was schließlich zu 500 Todesfällen jährlich der BK 4104 führt.


Berufskrankheit Nr. 4103
Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bek. d. BMA v. 13.05.1991, BArbBl 7-8 / 1991 S.74)


I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Asbest ist ein Sammelbegriff für zwei Gruppen faserförmiger silikatischer Mineralien: die Serpentinasbeste und die Amphibolasbeste. Als Arbeitsstoff kommt meist Chrysotil (Weißasbest), ein Magnesiumsilikat mit geringem Eisenanteil aus der Gruppe der Schichtsilikate vor. Auf Chrysotil als wichtigsten Serpentinasbest entfallen etwa 90 % aller in der Welt gewonnenen und industriell verarbeiteten Asbeste.
Die Gruppe der Amphibolasbeste hat einen Anteil von unter 10 % am Asbestweltverbrauch. Hierzu gehören das Natriumeisensilikat Krokydolith, der sog. Blauasbest, ferner das Magnesiumeisensilikat Amosit, der sog. Braunasbest sowie der Anthophyllit. In der Bundesrepublik Deutschland, welche Importland für Asbest ist, werden bzw. wurden aus Rohasbest zahlreiche Produkte hergestellt. Beispielhaft aufgeführt seien die Asbestzementindustrie, die Reibbelagindustrie, die Gummi-Asbest(IT)-Industrie, die Asbestpapier-, -pappen-, -dichtungs- und -filterindustrie, die Asbesttextilindustrie und die Asbestkunststoffindustrie. Seit etwa 1980 ist der Verbrauch von Asbest deutlich zurückgegangen und wird in den nächsten Jahren voraussichtlich auslaufen.Darüber hinaus werden bzw. wurden in den verschiedensten Gewerbezweigen asbesthaltige Produkte eingesetzt, z. B. bei bestimmten Tätigkeiten im Hoch- und Tiefbaugewerbe, Kraftfahrzeuggewerbe, Isoliergewerbe, im Lüftungs-, Klima-, Heizungs- sowie Fahrzeugbau.
Wichtige Gefahrenquellen für das Einatmen von Asbeststaub sind bzw. waren insbesondere:
  • Asbestaufbereitung. Hierbei wird in Kollergängen, Prall- oder Schlagmühlen entweder asbesthaltiges Muttergestein zerkleinert und/oder Rohasbest zu stärker aufgeschlossenen Fasern aufgelockert;
  • Herstellung und Verarbeitung von Asbesttextilprodukten wie Garne, Zwirne, Bänder, Schnüre, Seile, Schläuche, Tücher, Packungen, Kleidung usw. Dabei kommen Tätigkeiten wie Abfüllen, Einwiegen, Mischen, Krempeln, Spinnen, Zwirnen, Flechten, Weben und Zuschneiden vor. Auch das Tragen unbeschichteter Asbestarbeitsschutzkleidung ist ggf. zu berücksichtigen;
  • industrielle Herstellung und Bearbeitung von Asbestzementprodukten, speziell witterungsbeständiger Platten und Baumaterialien einschließlich vorgefertigter Formelemente, z. B. für Dacheindeckungen, Fassadenkonstruktionen, baulichen Brandschutz usw.;
  • Bearbeitung und Reparatur der vorgenannten Asbestzementprodukte, z. B. Tätigkeiten wie Sägen, Bohren, Schleifen usw. im Baustoffhandel oder Bauhandwerk;
  • industrielle Herstellung und Bearbeitung von asbesthaltigen Reibbelägen, speziell Kupplungs- und Bremsbelägen;
  • Ersatz von solchen Reibbelägen, z. B. Tätigkeiten wie Überdrehen, Schleifen, Bohren, Fräsen von Bremsbelägen in Kfz-Reparaturwerkstätten usw.;
  • Herstellung, Anwendung, Ausbesserung und Entsorgung von asbesthaltigen Spritzmassen zur Wärme-, Schall- und Feuerdämmung (Isolierung);
  • Herstellung, Verarbeitung und Reparatur von säure- und hitzebeständigen Dichtungen, Packungen usw., z. B. im Leitungsbau der chemischen Industrie;
  • Herstellung, Be- und Verarbeitung von Gummi-Asbest(IT)-Produkten;
  • Herstellung, Be- und Verarbeitung asbesthaltiger Papiere, Pappen und Filzmaterialien;
  • Verwendung von Asbest als Zusatz in der Herstellung von Anstrichstoffen, Fußbodenbelägen, Dichtungsmassen, Gummireifen, Thermoplasten, Kunststoffharzpreßmassen usw.;
  • Entfernen, z. B. durch Abbrucharbeiten, Reparaturen usw. sowie Beseitigung der vorgenannten asbesthaltigen Produkte.

  • Außerdem enthalten verschiedene Minerale, z. B. Speckstein (Talkum), Gabbro, Diabas usw. geringe Asbestanteile, u. a. als Tremolit und Aktinolith. Sie können infolgedessen über eine Mischstaubexposition zu Asbestrisiken führen.


    II. Pathophysiologie
    Asbeststaub ist ein typisch faserförmiger Staub. Asbestfasern können bis zu submikroskopischer Feinheit aufspalten. Wenn sie eingeatmet werden, wirken sie u.a. fibroseerzeugend. Von Durchmesser, Länge und Form der Asbestfasern hängt ab, ob es zu einer Deposition in den peripheren Luftwegen oder den Alveolen kommt. Der weitaus größere Teil des eingeatmeten Staubes wird wieder ausgeatmet oder durch die physiologischen Reinigungsmechanismen der Atemwege und Lungen ausgeschieden. Ein Teil der jeweils in die Alveolen gelangten Fasern dringt in das Zwischengewebe der Lunge ein. Im Bereich der Alveolarsepten, perivaskulär und peribronchial kommt es zunächst zur interstitiellen Retention. Nur sehr kleinkalibrige und kurze Faserfraktionen sind auf dem Lymphwege transportfähig. Manche Asbestfaserarten, insbesondere Chrysotil, können im Gewebe Strukturveränderungen erfahren.
    Der retinierte Asbeststaub kann zu Reaktionen vorwiegend in Bronchioli und im alveolären Interstitium führen. Bevorzugt in den unteren bis mittleren Lungenpartien entsteht ein diffuser, alveolarseptal bindegewebsbildender Prozeß mit starker Schrumpfungsneigung, die Asbestose (Asbest-Lungenfibrose). Mikroskopisch sind Asbestkörperchen nachweisbar. Hierbei handelt es sich um keulen- oder hantelförmige Gebilde, bestehend aus dem zentralen Achsenfaden, umgeben von mehr oder minder segmentierten eisen- und eiweißhaltigen Gelhüllen.
    Eingeatmete und in das Zwischengewebe der Lunge vorgedrungene Asbestfasern besitzen aufgrund ihrer nadelförmigen Gestalt auch die Fähigkeit, bis in den Pleurabereich (Lungen- und Rippenfell) zu penetrieren.
    Die Pleurotropie (Pleuradrift) kann sowohl zu einer Asbestfaseranhäufung im subpleuralen Bereich als auch zu einem Übertritt in den Pleuraspalt führen. Infolge der Pleuradrift entstehen oftmals diffus ausgedehnte oder umschriebene Bindegewebsneubildungen der Pleura, die der Asbestfibrose im Bereich der Lungen entsprechen. Sie stellen oft röntgenologische Zufallsbefunde dar. Die diffuse Bindegewebsneubildung bevorzugt meist doppelseitig die Pleura visceralis als diffuse Pleurafibrose des Lungenfells. Umschriebene, plaqueförmige Veränderungen manifestieren sich meist doppelseitig besonders an der Pleura parietalis als bindegewebige (hyaline), später verkalkende Pleuraplaques des Rippenfells, Zwerchfells oder Herzbeutels. Auch rezidivierende, meist einseitige Pleuraergüsse gehören zum Bild der nicht bösartigen, durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura, die sich von den Pleuratumoren (vgl. "Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells" Nr. 4105 Anl. 1 BeKV) abgrenzen lassen.


    III. Krankheitsbild und Diagnose
    Als erstes Zeichen einer Asbestose treten nach langsam progredientem Reizhusten Kurzatmigkeit, besonders bei Belastung und tiefer Inspiration, und Brustschmerzen auf. Später kommen nicht selten die Symptome einer chronischen Bronchitis, emphysematöse Lungenveränderungen und Rechtsherzhypertrophie (Cor pulmonale) hinzu. Auch der auskultatorische und perkutorische Befund ist uncharakteristisch. Er kann selbst bei fortgeschrittener Asbestose geringfügig sein. Als Hinweis auf eine Lungenfibrose gilt feines Knisterrasseln, besonders am Ende des Inspiriums, über den seitlichen und unteren Lungenpartien. Im Auswurf können sich Asbestkörperchen finden.
    Das Ergebnis der Röntgenfilmaufnahme*) ist für die Diagnose entscheidend. Vornehmlich subpleural in den unteren zwei Dritteln der Lunge, mit meist zunehmender Intensität zu Basis und Hilus hin, finden sich kleine unregelmäßige (oder lineare) Schatten (ILO-Klassifikation: s-t-u). Sie können zunächst nebelschwadenförmig mit haarfeinen Randfiguren auftreten und sich später zu einer netzförmigen Zeichnungsvermehrung (ILO-Klassifikation: 1-2-3) bis zu diffusen fibrozystischen Veränderungen verdichten. Auch horizontal verlaufende Strichschatten (sog. KERLEY'sche "B"-Linien) nahe der lateralen Brustwand kommen vor. Mitunter erscheint die Fibrose entlang der Grenze des Herzschattens besonders ausgeprägt. In späteren Stadien können Herzgrenzen und die Zwerchfellkuppen verwaschen erscheinen und die Oberfelder vermehrt strahlendurchlässig werden.

    *) Es wird empfohlen, bei der Diagnose im Röntgenbild die Internationale Staublungen-Klassifikation (ILO 80/BRD) anzuwenden (s. Anhang zum Merkblatt).

    Als besondere, durch Asbeststaub verursachte, nicht bösartige Erkrankungen der Pleura sind bei geeigneter Röntgentechnik (Hartstrahl-Filmaufnahmen) anzusehen (vgl. auch Anhang "Hinweise zur Erstattung der ärztlichen Anzeige ...") die bindegewebigen (hyalinen) Pleuraplaques, die verkalkten Pleuraplaques, die diffuse Pleuraverdickung der seitlichen Brustwand (diffuse Pleurafibrose), der Pleuraerguß, auch ohne Lungenasbestose, insbesondere mit bindegewebigen-schwartigen, postpleuritischen Folgezuständen (Hyalinosis complicata).
    Differentialdiagnostisch setzt die Annahme einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura voraus, daß eine entsprechende Exposition bestand, die in der Regel zehn oder mehr Jahre zurückliegt und daß Hinweise auf andere, insbesondere tuberkulöse, traumatisch-entzündliche oder tumoröse Pleuraveränderungen nicht vorliegen. Bei starkem Übergewicht (Broca-Index 120 %) sind als Differentialdiagnose der asbestverursachten diffusen Pleurafibrose beidseitige, subpleurale Fetteinlagerungen zu erwägen. Hyaline und/oder verkalkte Pleuraplaques finden sich bevorzugt im Bereich der dorsalen Pleura. Charakteristisch sind Plaques der Pleura diaphragmatica, auch wenn sie einseitig vorkommen. Ihre Nachweismöglichkeit wird oftmals mittels zusätzlicher seitlicher Thoraxaufnahme verbessert. Noch häufiger als am Lebenden lassen sich Pleuraplaques autoptisch nachweisen. Durch Asbeststaub verursachte diffuse, plaqueförmige oder postpleuritische Pleuraveränderungen können allein oder nebeneinander vorkommen.
    Die gesundheitliche Beeinträchtigung infolge der durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Lunge und/oder Pleura hängt vor allem von der Einschränkung der Lungenfunktion ab. Diese tritt vorwiegend als restriktive Ventilations- und/oder Gasaustauschstörung auf. Durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Lunge und/oder Pleura kommen auch im Zusammenhang mit anderen Pneumokoniosen vor.


    IV. Weitere Hinweise
    Die Erhebung einer eingehenden Arbeitsanamnese ist erforderlich. Durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Lunge und/oder Pleura treten im allgemeinen erst nach jahre- bis jahrzehntelanger Exposition gegenüber Asbeststaub auf. Eine Exposition - auch von wenigen Jahren - führt gelegentlich noch nach einer Latenz von Jahrzehnten zu einer Spätasbestose.Röntgenologisch nachweisbare Veränderungen der Lungenasbestose können im Vergleich zu den bestehenden Funktionsstörungen der Atmung und des Kreislaufs relativ geringgradig sein. Eine überhäufige Assoziation von Asbestose und Lungentuberkulose ist bisher nicht erwiesen.
    Bezüglich des Lungenkrebses in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura wird auf das Merkblatt zu BK Nr. 4104, bezüglich des durch Asbest verursachten Mesothelioms des Rippenfells und des Bauchfells auf das zu BK Nr. 4105 Anl. 1 BeKV verwiesen.


    V. Literatur
  • American Thoracic Society: The diagnosis of nonmalignant diseases related to asbestos. Amer. Rev. Respir. Dis., 134 (1986) 363-368
  • Bohlig, H., E. Hain, H. Valentin, H.-J. Woitowitz: Die Weiterentwicklung der Internationalen Staublungenklassifikation und ihre Konsequenzen für die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen staubgefährdeter Arbeitnehmer (ILO 80/BRD). Prax. Pneumol. 35 (1981) 1134-1139.
  • Bohlig, H., A Calavrezos: Development, radiological zone patterns, and importance of diffuse pleural thickening in relation to occupational exposure to asbestos. Brit. J. Industr. Med. 44 (1987) 673-681
  • Dodson, R. F., J.O. Ford: Early response of the visceral pleura following asbestos exposure: an ultrastructural study. J. Toxicol. Environm. Hlth. 15 (1985) 673-686
  • Hillerdal, G.: Short report: Value of the lateral view in diagnosing pleural plaques. Arch. Environm. Hlth. 41 (1986) 391-392
  • Martensson, G., S. Hagberg, K. Petterson, G. Thiringer: Asbestos pleural effusion: a clinical entity. Thorax 42 (1987) 646-651
  • Morgan, A., J. C. Evans, A. Holmes: Deposition and clearance of inhaled fibrous minerals in the rat. Studies using radioactive tracer techniques. In: W. H. Walton: Inhaled Particles IV. Pergamon Press, New York, 1977, 259-274
  • Viallat, J. R., F. Raybuad, M. Passarel, C. Boutin: Pleural migration of chrysotile fibers after intratracheal injection in rats. Arch. Environm. Hlth. 41 (1986) 282-286
  • Woitowitz H.-J., H.-J. Lange, U. Bolm-Audorff, K. Ulm, H.-J. Elliehausen, L. Pache: Pleura-Asbestose - Klinik und Epidemiologie. Atemw.-Lungenkrkh. 11 (1985) 291-296
  • Woitowitz, H.-J.: Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose). In: H. Valentin et al.: Arbeitsmedizin, Bd. 2: Berufskrankheiten. 3. Auflage, Thieme, Stuttgart, New York, 1985, 236-252

  • Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 41031

    Quelle: 1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
    Institut für Präventivmedizin

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