Aromatische Amine (Harnwege)
Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine
Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine sind durch die Nr. 1301 unter Versicherungsschutz gestellt. Wichtige hierher gehörende chemische Verbindungen, die insbesondere Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege hervorrufen können, sind etwa Beta-Naphthylamin, Benzidin, Xenylamin. Gefahrenquellen finden sich in der chemischen Industrie, vor allem in Betrieben der Farbstoffsynthese oder auch in bestimmten Laboratorien und anderem. Arbeiten mit dem fertigen Farbstoff und den gebrauchsfertigen Farben soll ungefährlich sein, falls nicht infolge Zersetzung oder Zerstörung aromatische Amine, die die betreffenden Krankheiten verursachen können, frei werden. Anilin und Alpha-Naphthylamin können im Einzelfall wie auch sonstige Substanzen mit krebserzeugenden aromatischen Aminen verunreinigt sein. Die Schadstoffe können durch die Haut aber auch über die Atemwege aufgenommen werden. Es kommen gutartige und bösartige Geschwülste vor und gegebenenfalls die Umwandlung gutartiger Geschwülste in bösartige. Die spezifischen Veränderungen finden sich bevorzugt im Blasengrund.
Hinweis: Es gibt Gutachter, die die Einwirkung der aromatischen Amine beruflicher Art bagatellisieren und stattdessen auf die Rauchgewohnheit des Betroffenen hinweisen.
Mitursächlichkeit der beruflichen Ursache reicht allerdings voll aus. Möglicherweise besteht sogar ein synergistischer Effekt im Sinne wechselseitiger Verstärkung der jeweiligen Auswirkungen. Die Arbeitsanamnese ist von besonderer Wichtigkeit. Feste zeitliche Sätze für die Dauer der Einwirkung gibt es nicht. Die Inkubationszeit kann Jahrzehnte betragen. Schwierig wird es bei Mehrfachtumoren, Karzinome der Lunge, aber auch des Magens, die im Anschluß an einen Blasenkrebs entstehen. Dabei kann es sich um Metastasen handeln, die dann nach der Nr. 1301 zu entschädigen sind, oder aber auch um Berufskrankheiten nach neuer Erkenntnis im Einzelfall. Allein das Fehlen eines Blasenkarzinoms gestattet also nicht die Ablehnung z.B. eines Lungenkarzinoms als berufliche Erkrankung durch Einwirkung aromatischer Amine, wie in der Fachliteratur festgehalten wird.
Berufskrankheit Nr. 1301
aromatische Amine
Merkblatt zu BK Nr. 1 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 12.6.1963, BArbB1 Fachteil Arbeitsschutz 1964,129f)
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Wichtige hierhergehörende chemische Verbindungen, die insbesondere Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege hervorrufen können, sind:
Beta-Naphthylamin (C10H7 • C6H4 • NH2),
Benzidin (H2N • C6H4 • C6H4 • NH2),
4-Aminodiphenyl (Xenylamin).
An den abführenden Harnwegen bewirken Toluidine (o-Toluidin, p-Toluidin), Chlortoluidin u. a. vorwiegend nur Schleimhautveränderungen im Sinne einer Reizung oder Entzündung. Dichlorbenzidin und Dianisidin können als Homologe und Substitutionsprodukte des Benzidins gleichfalls Ursache der genannten Erkrankungen sein.
Diese Stoffe kommen als Zwischenprodukte in der chemischen Industrie, vor allem in Betrieben der Farbstoffsynthese vor; auch in bestimmten Laboratorien u. a. können sie eine Gefahrenquelle sein. Arbeiten mit dem fertigen Farbstoff und den gebrauchsfertigen Farben sind ungefährlich, falls nicht infolge Zersetzung oder Zerstörung aromatische Amine, die die betreffenden Krankheiten verursachen können, frei werden. Dem reinen Anilin und reinen Alpha-Naphtylamin wird eine cancerogene Wirkung abgesprochen; im Einzelfall können diese - wie auch sonstige Substanzen - mit krebserzeugenden aromatischen Aminen verunreinigt sein.
II. Aufnahme und Wirkungsweise
Durch berufliche Beschäftigung können die genannten Stoffe vorwiegend durch Hautresorption, aber auch in Dampf oder Staub über die Atemwege aufgenommen werden. In den Harnwegen, insbesondere in der Harnblase, seltener in Harnleiter und Nierenbecken, wo sie - teilweise nach chemischem Umbau - längere Zeit verweilen, kann es zu den genannten Erkrankungen kommen.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Entzündliche Veränderungen der Harnwege mit Harndrang, krampfartigen Beschwerden in der Gegend der Harnblase, häufigem Wasserlassen und occulter oder sichtbarer Hämaturie treten auf. Lokalisiert oder multipel können sich Papillome bilden. Häufige und hartnäckige Recidive sowie die Entstehung einer Pyelonephritis sind möglich. Immer wiederkehrende Blutungen und zunehmende Blasenstörungen weisen auf eine Neubildung in der Blasenschleimhaut hin, die sowohl gutartig, papillomatös als auch bösartig, knotig oder infiltrierend sein kann. Die Umwandlung gutartiger Geschwülste in bösartige kommt vor. Krebs der Harnwege kann sich auch ohne stärkere vorausgehende Symptome entwickeln. Die Veränderungen finden sich bevorzugt im Blasengrund und in der Umgebung der Einmündung der Harnleiter in die Harnblase, seltener in der Blasenkuppe. Auch im Harnleiter und Nierenbecken können sie auftreten, hier insbesondere in Verbindung mit lang anhaltenden Stauungen im Harnabfluß.
Zur Sicherung der Diagnose sind bei verdächtig klinischen Anzeichen Harnsedimentuntersuchungen, Blasenspiegelungen und ggf. Entnahme von Geschwulstpartikeln für die histologische Untersuchung erforderlich.
IV. Hinweise für die ärztliche Beurteilung
Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen, bedingt durch aromatische Amine, sind weder klinisch, histologisch noch nach ihrem Verlauf von solchen Erkrankungen anderer Ursachen abzugrenzen; daher ist für die ärztliche Beurteilung eine eingehende Arbeitsanamnese von besonderer Wichtigkeit. Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege können im allgemeinen nach mehrjähriger, gelegentlich auch mehrmonatiger Exposition mit aromatischen Aminen entstehen; noch Jahrzehnte nach Aufgabe des gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatzes können sie in Erscheinung treten.
Sofern durch Einwirkung aromatischer Amine andere Krankheiten entstanden sind, ist zu prüfen, ob diese unter Nr. 5, Nr. 41 oder Nr. 46 der Anlage zur 7. Berufskrankheiten-Verordnung fallen.*)
*) Diese Verweise beziehen sich auf die BK-Liste der VII. BkVO
Quelle:
1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin