Halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide

Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide

Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide erfaßt die BK-Nr. 1310, wobei es sich um halogenierte Alkohole, halogenierte Äther, halogenierte Epoxide und um halogenierte Phenole handelt. Bekannt geworden sind Pentachlorphenol „Dioxin“ und TCDD (Tetrachlordibenzo-p-dioxin). Chemische Verbindungen im Sinne dieser Berufskrankheit werden unter anderem verwendet als Zwischenprodukte in der chemischen Industrie, z.B. für Epoxidharze, als Chloralkylierungsmittel, für Pflanzenschutzmittel, als Holzkonservierungsmittel, zur Herstellung von Desinfizientien (Chlorphenole). Die Stoffe reizen Haut und Schleimhäute. Der Eingang in den Körper erfolgt durch die Atemwege und über die Haut. Es kann zu Leber- und Nierenschädigungen kommen, Lungen und Bronchien sowie das Zentralnervensystem können betroffen sein. Bei der Herstellung und Verarbeitung von Dichlordimethyläther wurde eine Häufung von Bronchialkarzinomen mit auffallend geringer Latenzzeit beobachtet. Chlorphenole verursachen nach Hautkontakt eine gewebsschädigende Wirkung bis zur Nekrose (örtlicher Gewebstod). Die Chlorphenole können bis zum Coma führen. Aus 2, 4, 5-Trichlorphenol kann sich bei der Herstellung 2, 3, 7, 8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD, „Dioxin“) bilden. Dioxin kann zur Chlorakne aber auch zu systemischen Schädigungen, wie toxischen Leberschädigungen und toxischen Polyneuritiden führen. Bei den Dioxinen handelt es sich chemisch um polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD), wie in der Fachliteratur hervorgehoben wird. Zielorgane der Dioxine sind insbesondere die Haut, die Leber, das Nervensystem, der Fettstoffwechsel, Herz, Kreislauf, Magen, Darm, Augen, Nasen. Ergebnisse von Langzeittierversuchen haben erwiesen, daß TCDD die stärkste bisher untersuchte Chemikalie mit krebserzeugender Wirksamkeit ist. Ein schwerer Fehler ist rechtlich, wenn bei einer hohen TCDD-Exposition gefordert wird, daß das Rauchen etwa als unwesentlich ausgeschieden werden müßte, um die Berufskrankheit anzuerkennen.

Hinweis: Dieser Rechtsfehler bzw. monokausale Ansatz findet sich leider allenthalben in der Entschädigungspraxis der Berufskrankheiten, obwohl jeder Unfall- und Berufskrank-heitssachbearbeiter weiß, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Ursache absolut genügt und diese nicht die alleinige Ursache zu sein braucht.

Dioxinmassenunfälle haben in der Welt traurige Berühmtheit erreicht.


Berufskrankheit Nr. 1310
Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide
Merkblatt zu BK 1310
(Bek. des BMA vom 10. 7.1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/1979)
 
Bei den halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden handelt es sich um halogenierte Alkohole, halogenierte Ather, halogenierte Epoxide und um halogenierte Phenole. Zu diesen Verbindungen zählen insbesondere:
- die chlorierten Alkyloxide:
    Athylenchlorhydrin (2-Chlor-äthanol)   ClCH 2 -CH 2 -0 

  1,2-Dichlorhydrin (2,3-Dichlor-l-propanol)  C1CH 2 -CHCl-CH 2 0 

  1,3-Dichlorhydrin (1,3-Dichlor-2-propanol)   C1CH 2 -CH(OH)-CH 2 Cl

  Epichlorhydrin (1-Chlor-2,3-epoxipropan)    _________ 
  |             | 
 O-CH 2 -CH-CH 2 Cl 

  Dichlordimethyläther (1,1-Dichlordimethyläther)   ClCH 2 -O-CH 2 Cl 

  Monochlordimethyläther (Chlormethyl-methyläther)   H 3 C-O-CH 2 Cl 

  Dichlordiäthyläther (2,2-Dichlordiäthyläther)  ClCH 2 -CH 2 O-CH 2 - CH 2 Cl 

 
- die chlorierten Aryloxide:
    Monochlorphenole (2-, 3-, 4-Chlorphenol)   C 6 H 4 Cl (OH) 

  Dichlorphenole (insbes. 2,4-Dichlorphenol)   C 6 H 3 C1 2 (OH 

  Trichlorphenole (insbes. 2,4,5-Trichlorphenol und 2,4,6-Trichlorphenol)   C 6 H 2 C1 3 (OH) 


  Pentachlorphenol   C 6 H C1 5 (OH) 

  "Dioxin", TCDD (2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin) 

 
- die chlorierten Alkylaryloxide:
    Chlorkresole (insbes. 4-Chlor-2-methyl-phenol und 4-Chlor-3-methyl-phenol)  C 6 H 3 CI (OH) CH 3  
 
 
I. Gefahrenquellen
Chemische Verbindungen dieser Klasse werden u. a. verwendet:
  • als Zwischenprodukte in der chemischen Industrie, z. B. für Expoxidharze (Epichlorhydrin),
  • als Chloralkylierungsmittel (Monochlordimethyläther, Dichlordiäthyläther),
  • für Pflanzenschutzmittel (Chlorphenole, Chlorkresole),
  • als Holzkonservierungsmittel (z. B. Pentachlorphenol),
  • zur Herstellung von Desinfizientien (Chlorphenole).
  • Einige Stoffe dieser Klasse können als unerwünschte Nebenprodukte entstehen z. B. Tetrachlordibenzo-p-dioxin bei der Herstellung von Trichlorphenol, Dichlordimethyläther bei der Herstellung von Monochlordimethyläther.
     

    II. Pathophysiologie
    Die genannten halogenierten organischen Sauerstoffverbindungen führen bei lokaler Einwirkung zu mehr oder weniger starken Reizerscheinungen an Haut und Schleimhäuten. Die Aufnahme erfolgt auch über die Atemwege. Bei vielen Substanzen in fester oder flüssiger Form, insbesondere beim Athylenchlorhydrin, ist jedoch die perkutane Resorption von besonderer Bedeutung. Nach Aufnahme in den Organismus kann es zu Stoffwechselstörungen sowie zu Leber- und Nierenschädigungen kommen. Auch Lungen und Bronchien sowie das Zentralnervensystem können betroffen sein.

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    CI, ° ClMerkblatt zur BK Nr. 1310: Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- od. Alkylaryloxide
     

    III. Krankheitsbild und Diagnose
    1. Chlorierte Alkyloxide
    a)
    Chlorhydrine
      Athylenchlorhydrin
      Epichlorhydrin
      1,2- und 1,3-Dichlorhydrin
    Die genannten Stoffe besitzen eine starke lokale Reizwirkung auf Haut und Schleimhäute, insbesondere die Schleimhäute der Augen und des Respirationstraktes; diese Wirkung ist beim Epichlorhydrin besonders stark. Systemische Schäden können am Zentralnervensystem sowie an Leber und Nieren auftreten. Eine massive Exposition kann auch ein Lungenoedem hervorrufen. Das Vergiftungsbild ist gekennzeichnet durch zentralnervöse Symptome (Somnolenz und Verwirrungszustände, ggf. Koma), Störungen der Leberfunktion bis zum vollen klinischen Bild der toxischen Hepatitis (Transaminasenanstieg!), toxische Nephrose mit Hämaturie und Albuminurie. Neben der Aufnahme über die Atemwege ist die Möglichkeit der
    perkutanen Resorption besonders zu beachten.
     
    b)
    Chlorierte Äther
      Monochlordimethyläther
      Dichlordimethyläther
      Dichlordiäthyläther
    Die genannten Äther besitzen eine starke Schleimhautreizwirkung, die von Monochlordimethyläther über die Dichlordimethyläther zu Dichlordiäthyläther abnimmt. Die chlorierten Äther entfalten in höheren Konzentrationen narkotische Wirkungen. Dichlordiäthyläther kann bei der Inhalation außer Schleimhautreizungen Übelkeit und Brechreiz bewirken. Bleibende Organschäden sind nicht bekanntgeworden. Bei der Herstellung und Verarbeitung von Dichlordimetyläther wurde eine Häufung von Bronchialkarzinomen mit auffallend geringer Latenzzeit beobachtet. Monochlordimethyläther erwies sich bislang nicht als eindeutig kanzerogen, jedoch kann technischer
    Monochlordimethyläther bis -zu 7% mit Dichlordiinethyläther verunreinigt sein.
    2. Chlorierte Aryloxide
  • Monochlorphenole
  • Dichlorphenole
  • Trichlorphenole
  • Pentahlorphenol
  • Ähnlich wie Phenol verursachen auch die Chlorphenole nach Hautkontakt eine gewebsschädigende Wirkung (Haut-, Schleimhautreizungen bis zur Nekrose). Nach Resorption bewirken die Chlorphenole in entsprechender Konzentration motorische Erregung, Tremor, Krämpfe und Koma. Außerdem wurde Hyperpyrexie beobachtet. bat steigender Chlorierung nimmt die Krampfwirkung ab und die Hemmung der oxidativen Phosphorylierung zu. Monochlorphenol hat also die stärkste zentralerregende Wirkung, während sie beim Pentachlorphenol fast vollständig fehlt und hier andere Organwirkungen im Vordergrund stehen. Über Vergiftungsfälle durch reines 2,4,5-Trichlorphenol ist in der Literatur nichts bekannt. Aus 2,4,5-Trichlorphenol kann sich aber bei der Herstellung 2,3,7,8-Tetrachlordibenzop-dioxin (TCDD, "Dioxin") bilden. Dioxin kann auch als Verunreinigung in 2,4,5-Trichlorphenol enthalten sein. Es kann zur Chlorakne (Pernakrankheit), aber auch zu systemischen Schädigungen, wie toxischen Leberzellschädigungen und toxischen Polyneuritiden führen. Bei Pentachlorphenol wurden neben der Schleimhaut Reizwirkung der Dämpfe und gelegentlichen Dermatitiden durch Kontakt mit der Flüssigkeit auch allgemeine Vergiftungszustände (Mattigkeit, Schweißausbrüche, Atemnot) durch Einatmung der Dämpfe beobachtet. Chronische Vergiftungen sind bisher wissenschaftlich nicht erwiesen. Pentachlorphenol kann als Verunreinigung Octachlordibenzo-p-dioxin enthalten, das im Prinzip ähnlich wirkt wie TCDD, aber deutlich weniger toxisch ist.
     
    3. Chlorierte Alkylaryloxide
        Chlorkresole
    Über die Toxizität der Chlorkresole finden sich in der Literatur keine konkreten Angaben. Es ist jedoch anzunehmen, daß ihre Wirkung ähnlich ist wie die der Chlorphenole.
     

    IV. Literatur
  • Goldmann, P. J.: Schwerste akute Chlorakne durch Trichlorphenolzersetzungsprodukte. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Arbeitshygiene, 7. Jahrgang (1972), 1, S. 12-18
  • Hofmann, H. T.: Neuere Erfahrungen mit hochtoxischen Chlorkohlenwasserstoffen. Arch. exper. Pathologie und Pharmakologie 1 (1957), 232
  • Ludewig, R.; Lohs, K.: Akute Vergiftungen. Gustav Fischer Verlag Stuttgart (1974)
  • Moeschlin, S.: Klinik und Therapie der Vergiftungen. Georg Thieme Verlag Stuttgart (1972)
  • Patty, F. A.: Industrial Hygiene and Toxicology. Vol. II Interscience Publishers (1963)
  • Schwetz, B. A. et al: Toxicology of Chlorinated Dibenzo-pdoxins. Environmental Health Perspectives Exp. Issue 5 (1973) S. 86 ff.
  • Thiess, A. M.; Hey, W.; Zeller, H.: Zur Toxikologie von Dichlordimethyläther - Verdacht auf kanzerogene Wirkung auch beim Menschen -. Zbl. für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz, Band 23 (1973) 4, S. 97-102 

  • Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 13101

    Quelle: 1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
    Institut für Präventivmedizin

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