Dimethylformamid (Lebererkrankungen)
Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid
Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid, ein Lösemittel, werden unter Nr. 1316 der Berufskrankheitenliste entschädigt. Der Arbeitsstoff findet breiten industriellen Einsatz. An Arbeitsplätzen liegt DMF als farblose Flüssigkeit vor. Dimethylformamid ist wenig geruchsintensiv, weshalb eine nennenswerte Warnwirkung bei niedrigen Konzentrationen entfällt.
Gefahrenquellen:
Hauptabnehmer für DMF ist die Kunstlederproduktion. DMF wird insbesondere auch in der Produktion von Polyacrylnitrilfasern, von Pflanzenschutzmitteln, von Speziallacken sowie bei der Kunststoffbeschichtung (Polyurethane) verwendet. Früher fand DMF auch Anwendung zur Herstellung von pharmazeutischen und kosmetischen Produkten. Sowohl bei dermaler als auch bei inhalativer Aufnahme, d.h. bei Aufnahme über die Haut oder durch die Atemorgane wird DMF rasch im Organismus verteilt. Kritisches Zielorgan ist die Leber. Es ist schwierig, zwischen alkoholinduzierter und toxischer Hepatopathie zu differenzieren, wie es im Merkblatt des BMA wörtlich heißt.
Tip: Berufliche Mitursächlichkeit der toxischen Verursachung durch einen giftigen Arbeitsstoff reicht vollauf.
Haben Sie zusätzlich Alkohol getrunken, hat offenbar der berufliche Schadstoff umso leichteres Spiel, was eine klassische Mitursächlichkeit der beruflichen Noxe (Krankheitsursache) bedeutet. Ob darüber hinaus Zyklusstörungen und eine Häufung von Aborten bei Frauen durch DMF hervorgerufen werden und Fruchtschädigungen, wird in der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit 1316 immerhin andiskutiert. In der Literatur würden sich überdies Hinweise für eine Inzidenz von testikulären Tumoren und von Malignomen im Bereich der Mundhöhle und des Pharynx finden. Ob Hodenkrebsfälle, Leberkrebs, Prostatakarzinom, Mundhöhlen- und Rachenkrebs durch DMF verursacht werden können, wird in der Begründung zur BK 1316 erörtert, aber offenbar nicht entschieden.
Berufskrankheit Nr. 1316
Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bek. des BMA v. 1.12.1997 - IVa 4-45206, BArbBl 12/1997, S. 30)
Dimethylformamid (DMF), Ameisensäuredimethylamid, Formyldimethylamin) ist ein Lösemittel, das aufgrund seiner hervorragenden physikochemischen Eigenschaften breiten industriellen Einsatz findet. An Arbeitsplätzen liegt DMF als farblose Flüssigkeit vor. Bei einem relativ hohen Dampfdruck von 3,52 mbar bei 20°C gelangt DMF beim offenen Umgang schnell in die Luft am Arbeitsplatz. Da DMF nur wenig geruchsintensiv ist, entfällt eine nennenswerte Warnwirkung bei niedrigen Konzentrationen.
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
DMF ist keine natürlich vorkommende Substanz. Es ist mischbar mit Wasser und mit verschiedenen organischen Verbindungen. Aufgrund dieser physikochemischen Eigenschaften ist es eines der am meisten verwendeten Lösemittel. Hauptabnehmer für DMF ist die Kunstlederproduktion. DMF wird insbesondere aber auch in der Produktion von Polyacrylnitrilfasern, von Pflanzenschutzmitteln, von Speziallacken sowie bei der Kunststoffbeschichtung (Polyurethane) verwendet. In diesen Produktionsbereichen wird DMF als Lösemittel, Apsorptionsmittel für Gase und als Synthese-Ausgangstoff eingesetzt Früher fand es auch Anwendung zur Herstellung von pharmazeutischen und kosmetischen Produkten. Neben der Aufnahme über die Atemluft wird DMF auch indirekt aus der Dampfphase sowie bei direktem Hautkontakt perkutan leicht resorsorbiert.
II. Pathophysiologie
Sowohl bei dermaler als auch bei inhalativer Aufnahme wird DMF rasch im Organismus verteilt. Die Metabolisierung von DMF erfolgt durch mikrosomale Enzymsysteme in der Leber. Als Hauptmetabolit erscheint im Harn N-Hydroxymethyl-N-Methylformamid. Der Metabolismus von DMF zeigt Wechselwirkungen mit dem Ethylalkoholabbau und eine hemmende Wirkung auf die Aldehyddehydrogenase.
Kritisches Zielorgan ist die Leber. Ergebnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen an verschiedenen Spezies bestätigen diese spezielle Organschädigung ungeachtet des Aufnahmeweges (oral, inhalativ, dermal). Im Tierversuch äußert sich die Hepatotoxizität makroskopisch in herdförmigen, über alle Leberbereiche verteilten, nekrotischen Veränderungen, besonders ausgeprägt im Bereich der Leberpforte. Mikroskopisch imponieren die nekrotischen Areale durch eine Fibrose mit Hämosiderin- und Calziumablagerungen unter Beteiligung von Makrophagen mit scharfer Abgrenzung zu nicht geschädigtem Gewebe. Die in tierexperimentellen Untersuchungen beobachteten Myokard- und Nierenschäden sowie zentralnervöse Effekte wurden beim Menschen nicht beobachtet.
Nach Kontamination größerer Hautareale mit flüssigem DMF wurde eine rasch einsetzende Irritation mit Hyperämie beschrieben. Als weitere lokale Wirkungen sind Entfettung. Quellung und vermehrte Schuppung der Haut sowie Reizungen an den Augenbindehäuten bekannt. Hinweise für eine sensibilisierende Potenz von DMF ergaben sich bislang nicht.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Arbeitsmedizinische Erfahrungen mit DMF, gesammelt insbesondere bei akzidentiell hohen Expositionen (WHO 1991) und in epidemiologischen Studien (Redlich et al. 1988, Fleming et al. 1990, Wang et al. 1991), weisen die Leber sowohl nach akuter als auch nach chronischer Einwirkung als kritisches Zielorgan einer DMF-Schädigung aus. Die Leberzellschädigung führt zu biochemischen Veränderungen im Serum (z.B. Erhöhung der g-GT und Transaminasen). Im fortgeschrittenen Stadium kommen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Appetits- und Gewichtsverlust hinzu. Es ist schwierig, zwischen alkoholinduzierter und toxischer Hepatopathie anderer Genese zu differenzieren. In Leberbiopsien zeigten sich mikrovesikuläre Fetteinlagerungen und Veränderungen des Leberparenchyms ohne ausgeprägte entzündliche Infiltrate. Der feingewebliche Gesamteindruck entsprach einer Leberschädigung toxischen Ursprungs. Die subjektiven Beschwerden können reversibel sein.
IV. Weitere Hinweise
Insbesondere bei akuten Vergiftungen ist auch von Blutdruckveränderungen, Tachykardien und EKG-Abnormitäten berichtet worden. Bei gleichzeitigem Alkoholkonsum können die bekannten Symptome der Alkoholintoleranz vom Disulfiramtyp (Flush-Syndrom) bereits durch Aufnahme geringer Mengen DMF schon bei Konzentrationen unterhalb des MAK-Wertes auftreten. Als Ursache dafür wird die hemmende Wirkung von DMF auf die Aldehyddehydrogenase mit einer Akkumulation von Acetaldehyd betrachtet. Träger des HBs-Antigen reagieren möglicherweise empfindlicher auf eine DMF-Exposition.
V. Literatur
Quelle:
1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin