Von Menschen auf Menschen übertragene Infektionen (Gesundheitsdienst usw.)

Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war

Die BK-Nr. 3101 bezeichnet als Berufskrankheit Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Ein Arzt oder eine Krankenschwester können sich beruflich an Tuberkulose infizieren, an Hepatitis, AIDS etc..

Fall: Operateur erleidet im Operationssaal eine Stichverletzung mit der Folge einer AIDS-Infektion. Der Patient ist nachweislich AIDS-krank. Die Anerkennung als Berufskrankheit soll Vorrang gegenüber einer solchen als Arbeitsunfall haben.

Die Anerkennung als Arbeitsunfall kann aber dann wichtig sein, wenn ansonsten die Voraussetzungen der Infektionserkrankung nicht gegeben wären. Selbst in einem Standardkommentar findet sich die falsche Meßlatte, die berufliche Bedingung müßte zumindest "gleichwertig" sein, um den Versicherungsschutz zu begründen.

Hinweis: Das Merkmal der Gleichwertigkeit, das selbst in Beweisbeschlüssen der Gerichte bezüglich Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen gefordert wird, kommt in Wahrheit aus dem Strafprozeß und taugt nicht für die gesetzliche Unfallversicherung. Im Strafprozeß kann sich der Totschläger nicht damit herausreden, das Opfer wäre bereits hinfällig gewesen und sein Schlag auf den Kopf des Opfers hätte weniger Gewicht gehabt für den Ausgang. Dem wird im Strafrecht dadurch begegnet, daß man die Mitursachen ideell gleichgewichtet. Der Übertragungsfehler im Sozialgerichtsprozeß geht dahin, daß man stattdessen reale Gleichwertigkeit der beruflichen Ursache fordert.

Das Problem in dem Fall des Standardkommentars hat eine andere Bewandtnis.

Fall: Rauschgiftsüchtige Arzthelferin "fixt" am Arbeitsplatz mit einer hepatitiskontaminierten Nadel. Beurteilen Sie bitte nach Ihrer praktischen Lebenserfahrung, ob hier eine wesentliche berufliche Mitursache bzw. Gefährdung zum Tragen gekommen ist.

Eindeutig ist der nachfolgende

Fall: Minderjährige Arzthelferin erkrankt an fulminanter Hepatitis nach Patientenkontakt bzw. Kontakt mit dem Blut eines infizierten Patienten. Hier wurde die berufsgenossenschaftliche Anerkennung angestrebt, und zwar auch von dem Arbeitgeber und Arzt, um privatrechtlichen Ansprüchen der Mitarbeiterin gegen den Arzt vorzubeugen.

An Infektionskrankheiten nennt das Merkblatt etwa das Gelbfieber, die Pocken, Poliomyelitis usw..

Fall: Wie beurteilen Sie den Fall, daß bei einer Kinderlähmungsepidemie eine Friseuse oder aber auch ein Lehrer an Kinderlähmung erkrankt?

Die Gefahr eines höheren Infektionsrisikos dürfte auf der Hand liegen, weil die betroffenen Personen ungleich höheren bzw. intensiveren Personenkontakt aufweisen als ein normaler Bürger in seinem Privatkreis. Im Merkblatt ist weiter die Rede von Fleckfieber, Brucellosen, Gasbrand, Syphilis, Pest, Tetanus, Tuberkulose, Amöbenruhr, Malaria. Es finden sich zahlreiche weitere Hinweise zu den besonderen Erkrankungen der Tuberkulose, der Virushepatitis. Einen besonderen Problembereich stellen die AIDS-Erkrankungen dar. Ärzte, aber auch Geschäftsreisende bspw. in Afrika können einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein. Entscheidend wird sein, welche Beweisanforderungen die Berufsgenossenschaft stellt.

Der besondere

Fall: Ein Arbeitsunfallopfer (Verkehrsunfall) wird im Krankenhaus mit einer AIDS-verseuchten Blutkonserve versorgt. Der Verletzte wird AIDS-krank und zu Beispielzwecken auch die Krankenschwester, die sich beim Öffnen der Blutkonserve schneidet.

Die Infektion der Krankenschwester kann als Berufskrankheit behandelt werden. Die Ansteckung des Arbeitsunfallopfers ist als mittelbare Folge dem Arbeitsunfall zuzurechnen. Es existiert eine Stadieneinteilung der HIV-Infektion (Herausgeber ist das Bundesgesundheitsamt). Der Rentensatz einer Verletztenrente soll bei einer leichten Form von AIDS 50 bis 60 % ausmachen, gleich etwa 50 bis 60 % vom Nettoeinkommen, die schwere Form soll eine Verletztenrente von 60 bis 100 % ausmachen. Bei wohl kaum einer anderen Berufskrankheit werden derart viele Beweisregeln diskutiert, wie bei der beruflichen Infektionskrankheit.

Frage: Es fragt sich, ob nicht den Berufskrankheitsbildern selbst in der Berufskrankheitenliste der Rechtsnormcharakter abgeht und es sich nicht in Wahrheit dabei um versteckte Beweisregeln handelt, welch letzterer Umstand wegen der vielfältigen Ausschlüsse von andersartigen Berufskrankheitsarten zu einer krassen Ungleichbehandlung von Berufskranken gegenüber Arbeitsunfallopfern führt. Entweder soll die Infektionsgefahr nicht "besonders" gewesen sein bei der BK 3101 oder bei einer anderen Berufskrankheit soll dann das falsche Körperteil erkrankt sein, etwa beim Asbestkrebs nicht die Lunge, sondern früher z.B. der Kehlkopf oder immerhin noch heute der Darm oder Magen usw.. Kein Mensch würde beim Arbeitsunfall fordern, beispielsweise beim Leitersturz, daß dieser nur dann ein Arbeitsunfall wäre, wenn der Kopf oder jedenfalls bestimmte Organe verletzt sind. Solche zum Teil sinnwidrige Ausschlüsse enthält die deutsche Berufskrankheitenliste an allen Ecken und Enden, was den unangenehmen Beigeschmack eines Sammelsuriums von Beweisregeln nur verstärkt.

Ein Wort zur Statistik der BK 3101:

Laut Arbeitssicherheitsbericht 1998 wurden 1997 2.202 Verdachtsfälle angezeigt und 181 neu berentet. Die Dunkelziffer dürfte beachtlich sein.


Berufskrankheit Nr. 3101
Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
(Bek. des BMA v. 1.12.2000 - IVa 4-45222-3101, BArbBl. 1/2000 S. 35)
( - Ersatz für Bek. des BMA v. 15.10.1969, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1969, 202f - )
 

I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Unter der Nr. 3101 der Anlage zur BKV sind Krankheiten erfasst, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Diese Krankheiten fallen grundsätzlich dann unter die Nr. 3101 der Anlage zur BKV, wenn sie bei Versicherten auftreten, die infolge der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit in bestimmten Bereichen einer gegenüber der allgemeinen Bevölkerung wesentlich erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Dies trifft hauptsächlich auf das Personal in stationären oder ambulanten medizinischen Einrichtungen der Human- und Zahnmedizin, in wohlfahrtspflegerischen Einrichtungen und Laboratorien zu. Außerdem können in diesen Bereichen kurzfristig mit Arbeiten wie Warten, Instandsetzen oder Entsorgen tätige Personen betroffen sein. Ein Risiko in ähnlichem Maße kann auch bei Tätigkeiten in der Gentechnik, Biotechnologie, in Abwasser- und Kläranlagen bestehen.

II. Ätiopathogenese
Die Aufnahme der Krankheitserreger kann über die nicht sichtbar verletzte (Mikroläsionen) oder verletzte Haut bzw. Schleimhaut (trans-, perkutane Infektion als Kontakt- oder Schmierinfektion), über den Atemtrakt (aerogene Infektion als Tröpfchen- oder Staubinfektion), parenteral (Stich- oder Schnittverletzung) oder über den Verdauungstrakt (orale Infektion, Schmierinfektion) erfolgen. Als Ergebnis der Aufnahme des Erregers resultieren nach unterschiedlichen Inkubationszeiten entweder lokale oder systemische Vermehrungen des Erregers mit oder ohne Auftreten von Krankheitssymptomen. Dabei umfasst der Verlauf der Infektion einen Prozess, in dem mehrere Abwehrmechanismen des Immunsystems in einer für jeden Erreger typischen Weise wirksam werden.

III. Krankheitsbilder und Diagnosen

Bezüglich der Krankheitsbilder und ihrer Diagnosen wird auf die einschlägigen Lehrbücher verwiesen. Zur Veranschaulichung der Bedeutung des BK-relevanten zeitlichen Zusammenhangs sind im Anhang die Inkubationszeiten und Infektionswege aufgeführt. Die Diagnose ist jeweils durch virologische, bakteriologische, serologische und ggf. typendifferenzierende Untersuchungen unter Berücksichtigung der Inkubationszeit zu sichern. Bei allen Viren mit vorhandenen Subtypen besteht die Möglichkeit - über die genomische Analyse der Viren der Infektionsquelle und des Versicherten - die Infektionsquelle sicher zu identifizieren oder auszuschließen. Dieses ist auch bei einigen Bakterien durch eine Restriktionsenzymanalyse möglich.
Wichtige Krankheitsbilder werden im Folgenden dargestellt.
1. Virushepatitiden
Unter der Bezeichnung "Virushepatitis" werden verschiedene Hepatitiden zusammengefasst, die durch unterschiedliche Hepatitisviren hervorgerufen werden und sich hinsichtlich
Übertragung, Verlauf, Komplikationen und serologischer Marker unterscheiden.
1.1. Virushepatitis A
Der Erreger der Erkrankung ist das Hepatitis-A-Virus (HAV), ein RNA-Virus der Familie der Picornaviren. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch direkten Kontakt mit Kranken (auch über kontaminierte Gegenstände) oder über durch Virusausscheider oder fäkale Verunreinigungen kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser. Die Inkubationszeit beträgt 14 bis 40 Tage. Eine Infektiosität besteht bereits 7 bis 14 Tage vor dem Krankheitsausbruch. Neben ikterischen treten häufig anikterische Verläufe auf. Fieber, heller bis entfärbter Stuhl, dunkler (bierbrauner) Urin, Transaminasenanstieg, Bilirubinerhöhung, Oberbauchbeschwerden und Hepatomegalie sind typische Zeichen. Eine Chronifizierung tritt nicht ein. Der Nachweis von IgM-Antikörpern und später auch von IgG-Antikörpern gegenüber HAV im Serum sichert die Diagnose, wobei zu berücksichtigen ist, dass eine vorausgegangene Impfung zu erhöhten Konzentrationen von IgG-Antikörpern führen kann. Der Nachweis von HAV im Stuhl und Blut ist über Antigentests und Nukleinsäuretests möglich.
1.2. Virushepatitis B Der Erreger ist das Hepatitis-B-Virus (HBV), ein DNA-Virus der Familie der Hepadnaviren. Die Übertragung des Erregers erfolgt parenteral durch Blut, Blutprodukte, über Sekrete und Exsudate. Außerberuflich erfolgt die Infektion hauptsächlich über Sexualkontakte, i.v.-Drogenkonsum und beruflich vorwiegend über Stich- und Schnittverletzungen. Das Übertragungsrisiko bei beruflichem Kontakt ist hoch, bei positiver Envelope-Antigen-(HBe-Antigen)-Infektionsquelle bis zu 100 %. Die Inkubationszeit beträgt 60 bis 180 Tage, bei großen Inokulationsmengen z.T. deutlich weniger. Bei Nachweis von Virusbestandteilen, wie den HBs- und HBe-Antigenen bzw. Nachweis viraler DNA im Serum ist Infektiosität vorhanden.

Die Krankheit verläuft nicht selten symptomarm bis symptomlos. Das akute Krankheitsbild ähnelt dem der Hepatitis A. Fulminante Verläufe (1 bis 2%) mit Leberversagen sind möglich. Die Letalität beträgt 1 bis 2% auch bei symptomarmen Verläufen. Die Chronifizierungsrate bei Erwachsenen beträgt ca. 10 % (bei Männern liegt sie höher als bei Frauen). Dabei ist der Übergang in eine Leberzirrhose oder ein primäres hepatozelluläres Karzinom häufig. Als Komplikationen können auch Glomerulonephritis, Arthritis oder Superinfektion mit Hepatitis-D-Virus auftreten. Die Diagnose wird durch HBV-Marker im Serum gesichert. Es erfolgt zuerst die Bestimmung der korrespondierenden LgG-Antikörper gegen den Kern (core) des Hepatitis-B-Virus (AntiHBc), die nach einer Hepatitis-B-Infektion stets nachweisbar bleiben. Bei negativem Ausfall ist keine weitere Markersuche erforderlich. Bei positivem Nachweis von Anti-HBc ist nach Vorhandensein von Antigen aus der Hülle (surface) des Virus (HBs-Ag) und den korrespondierenden Antikörpern (Anti-HBs) zu suchen. Anti-HBs wird erst positiv, wenn HBs-Ag verschwunden ist. Bei Nachweis von Antikörpern -Anti-HBs ³ 10 IE/l - liegt Immunität (als Prophylaxe wird dennoch bei Hepatitis-B-Virusexposition die aktive Hepatitis-B-Schutzimpfung empfohlen), bei Anti-HBs ³ 100 LE/l liegt sichere Immunität vor. Isoliertes Anti-HBs (ohne Nachweis von Anti-HBc) weist auf eine vorausgegangene aktive Hepatitis-B-Schutzimpfung hin.
Bei unkompliziertem Verlauf nehmen die Antigene HBe-Ag (ein Abbauprodukt des HBc-Ag) und HBs-Ag nach wenigen Wochen ab. Die korrespondierenden Antikörper treten nach ca. 10 Wochen (Anti-HBe) bzw. nach ca. 5 bis 6 Monaten (Anti-HBs) auf; beide bleiben über Jahre positiv. Solange HBs-Antigen (HBs-Ag) nachweisbar ist, besteht potentielle Infektiosität. Bei Nachweis von HBs-Ag sind zur Einschätzung der Infektiosität HBe-Ag (hohe Infektiosität) und Anti-HBe bzw. HBV-DNA zu bestimmen. Da Virusmutanten (HBe-Ag negativ) häufiger vorkommen, ist bei positivem HBs-Ag und fehlenden Habe-Markern immer eine DNA-Bestimmung erforderlich. Der Nachweis von HBV-DNA im Serum ist Ausdruck einer fortbestehenden Virusreplikation und bedeutet Infektiosität.
1.3. Virushepatitis C
Der Erreger der Virushepatitis C ist das Hepatitis-C-Virus (HCV), ein RNA-Virus. Die Übertragung erfolgt u.a. durch Blut und Sexualverkehr. Das Übertragungsrisiko bei beruflichem Kontakt wird mit ca. 2 bis 10 % angenommen. Die Inkubationszeit beträgt 14 Tage bis 4 Monate bis evtl. 6 Monate, im Mittel 50 Tage. Das parenterale Übertragungsrisiko ist beim Hepatitis-C-Virus niedriger als beim HepatitisB-Virus. Die Erkrankung verläuft in 85 % der Fälle chronisch. Jährlich entwickeln ca. 3 % der chronisch Infizierten ein Leberzellkarzinom. Zur Sicherung der Diagnose werden im Serum Anti-HCV bestimmt oder HCV-RNA nachgewiesen. HCV-RNA kann 3 bis 4 Wochen nach Infektion vor dem Auftreten klinischer Symptome nachgewiesen werden.
1.4. Virushepatitis D (Synonym: Deltahepatitis)
Der Erreger ist ein inkomplettes, RNA-haltiges Virus (HDV), das nur gemeinsam mit HBV lebensfähig ist. Die Übertragung erfolgt wie bei der Hepatitis B. Die Infektion tritt als Co- oder Superinfektion auf. Die Inkubationszeit beträgt bei Superinfektion 3 Wochen. Bei gleichzeitiger Infektion kann der Nachweis von HDV-Antigen 3 Wochen nach erstmaligem HBs-Antigen-Nachweis (insgesamt also Inkubationszeit der Hepatitis B plus Inkubationszeit der Hepatitis D) erfolgen. Zu einer Chronifizierung kommt es in 2 % der Fälle bei Coinfektion. Bei Superinfektion mit HDV ist für 70 bis 90 % der Patienten mit einem chronischen Krankheitsverlauf zu rechnen. Die Diagnose erfolgt über den Nachweis von HDV-Antigen und Anti-HDV oder über den Nachweis der viralen Bestandteile (RNA).
1.5. Virushepatitis E
Der Erreger ist das Hepatitis-E-Virus (HEV), ein RNA-Virus, das mit der Familie der Caliciviren verwandt ist. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral wie bei der Hepatitis A. Die Inkubationszeit beträgt ca. 40 Tage. Es besteht eine ähnliche Ansteckungsgefahr wie bei der Hepatitis A. Das Krankheitsbild gleicht dem der Hepatitis A. Die Letalität liegt bei 1 bis 2 %, bei Schwangeren bei etwa 10 %. Die Infektion erzeugt eine lebenslange Immunität. Eine Chronifizierung tritt nicht auf. Die Diagnose erfolgt durch Virusnachweis im Stuhl, Antigen-, Antikörpernachweis im Serum oder Nukleinsäurenachweis in Fäzes und Blut.
2. Tuberkulose
Der Erreger ist meist das Mycobacterium tubereulosis, ein säurefestes Stäbchen. Die Übertragung erfolgt durch Schmier- und Tröpfcheninfektion. Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 8 bis eventuell 12 Wochen. Nach der Erstinfektion tritt die Primärtuberkulose mit lokaler Entzündung, dem pneumonischen Primärinfiltrat, unter gleichzeitiger Beteiligung des regionalen Lymphknotens als Primärkomplex auf. Nachfolgend verkalkt das Primärinfiltrat meist und der Primärkomplex wird inaktiv. Die postprimäre Tuberkulose ist im Anschluss an die Primärtuberkulose möglich. Sie tritt am häufigsten über die hämatogene und lymphogene Aussaat der Mykobakterien in den Organismus mit nachfolgender Organtuberkulose auf. Dies gilt z.B. für die Meningealtuberkulose als frühe Form der Generalisierung oder die Miliartuberkulose nach Dissemination auf lymphogen-hämatogenem Weg oder kanalikulär über die Bronchien, selten per continuitatem vom pulmonalen Primärherd. Daneben kann eine Inokulationstuberkulose nach Einimpfen tuberkulösen Materials in die Haut auftreten. Als Screeningmethode gilt der Tuberkulinstempeltest. In Zweifelsfällen wird der Tuberkulintest nach Mendel-Mantoux durchgeführt. Bei positivem Ausfall des Tests und klinischem Verdacht wird eine Lungenübersichtsaufnahme in zwei Ebenen angefertigt. Der Erregernachweis erfolgt mikroskopisch und kulturell aus Sputum, Bronchialflüssigkeit, Magensaft und je nach Manifestation bei Organtuberkulosen aus anderen Körperflüssigkeiten oder Gewebsproben. Der Nukleinsäure-Nachweis von Mykobakterien ist möglich.
3. HIV-Infektion/ AIDS Als Erreger sind humane Retroviren - das HIV 1 und das HIV 2 - bekannt. Die berufsbedingte Übertragung erfolgt durch parenterale Inokulation von erregerhaltigen Körperflüssigkeiten, Blut oder Blutbestandteilen. Übertragung über die Konjunktiven ist möglich. Das Übertragungsrisiko bei beruflicher Exposition beträgt durchschnittlich 0,3 %. Es ist 16-fach erhöht bei tiefen Stich- und Schnittverletzungen; fünffach erhöht bei sichtbaren Blutspuren auf dem verletzenden Instrument; fünffach erhöht, wenn die Nadel oder Kanüle zuvor in der Vene oder Arterie eines

HIV-Patienten plaziert war; sechsfach erhöht bei hoher Viruskonzentration. Die Infektiosität ist bis zu 100 mal geringer als die des Hepatitis-B-Virus. 2 bis 6 Wochen nach der HIV-Infektion tritt bei einigen Personen ein mononukleoseartiges Krankheitsbild auf. Etwa 2 Wochen danach sind HIV-Antikörper nachweisbar. Die Entwicklung eines klinisch manifesten Immundefektes kann nach 6 Monaten bis 10 Jahren erfolgen. Als Folge der HIV-Infektion tritt derzeit bei 80 % der Infizierten nach etwa 10 Jahren Immundefizienz (AIDS) ein. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis von Antikörpern gegen HIV-Proteine und wird gesichert durch den Nachweis von HIV-Antigen und HIV-Nukleinsäure, gewöhnlich quantitativ.

IV. Weitere Hinweise
Für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit muss eine zeitliche Verbindung zwischen der Exposition gegenüber dem betreffenden Erreger und der Erkrankung vorhanden sein. Die Erkrankung muss sich innerhalb einer Zeit entwickeln, die sich im Rahmen der Inkubationszeit bewegt. Bei inapparent verlaufenden Erkrankungen sollten die Entwicklung des betreffenden Stadiums und der eventuelle Folgezustand der Infektionserkrankung bedacht werden. Der Übertragungsweg und die Infektiosität des Erregers sind zu berücksichtigen. Als Infektionsquelle kommen auch Personen in Betracht, die Überträger sind, ohne selbst klinisch manifest erkrankt zu sein.
Kommt es infolge einer beruflich während der jeweiligen Schwangerschaft erworbenen Infektion zu einer intrauterinen Infektion bzw. zu einem Gesundheitsschaden der Leibesfrucht, so ist eine Entschädigung des Kindes nach § 12 SGB VII in Betracht zu ziehen. Das Gregg-Syndrom - die Rötelnembryopathie - nach berufsbedingter, mit oder ohne Arbeitsunfähigkeit einhergehender Rötelninfektion der Schwangeren ist dafür ein bekanntes Beispiel; ebenso z.B. die Infektion mit HAV, HBV (Infektionsrisiko bis zu 100 %), HCV, HIV, Varicella-Zosterund Zytomegalie-Virus. Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden bzw. zu den Tropenkrankheiten zählen, sind unter den BKNrn. 3102 bzw. 3104 erfasst, auch wenn sie bei o.g. Tätigkeiten erworben wurden.

V. Literatur
 
  • Bek. des BMG vom 22.3.1995: Liste risikobewerteter Spender- und Empfängerorganismen für gentechnische Arbeiten. Bundesgesundhbl. 38,5(1995), Sonderbeilage, ebenda 40,12(1997) einschl. Berichtigung ebenda 41,2(1998)
  • Brandis, H.; J.J. Eggers; W. Köhler; G. Pulverer (Hrsg.): Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie. 7. Aufl.- Gustav Fischer, Stuttgart -Jena - New York, 1994
  • Enders, G.: Infektionen und Impfungen in der Schwangerschaft.- Urban & Schwarzenberg, München - Wien - Baltimore, 1991
  • Hahn, H.; D. Falke; S.H.E. Kaufmann; U. Ullmann (Hrsg.): Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 3. Aufl.- Springer, Berlin - Heidelberg - New York, 1999
  • Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Hrsg.): G 42 Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung.- In: Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. 2. Aufl.Gentner, Stuttgart, 1998
  • Hofmann, F. (Hrsg.): Infektiologie. Diagnostik. Therapie. Prophylaxe. Handbuch und Atlas für Klinik und Praxis; Losebl.-Ausg. 1997 ff. - ecomed, Landsberg
  • Petersen, E.E.: Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart - New York, 1994
  • Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe - TRBA 310, Ausg. 4/97, BArbBl 7-8/1997, S. 87
  •  
    Anhang:  Ausgewählte von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten und
    -erreger mit Inkubationszeiten und Infektionswegen 
    Krankheiten /
    Erreger Inkubationszeiten
    Infektionswege
    Chlamydien-Infektionen /
    Chlamydia pneumoniae
    wenige Tage
    Tröpfcheninfektion
    Cholera /
    Vibrio cholerae
    1-4 Tage
    (24-48 Stunden)
    Kontaktinfektion oder verseuchtes Wasser und Lebensmittel
    Coxsackie-Viruskrankheit /
    Coxsackie- Virus A und B
    2-14 Tage
    fäkal-oral oder Tröpfcheninfektion
    Diphtherie /
    Corynebacterium diphrheriae
    2-5 Tage
    Tröpfcheninfektion, infizierte Gegenstände

    Dysenterie /
    Shigella dysenreriae,
    -flexneri, -boydii, -sonnei
    Stunden bis 7 Tage
    (2-3 Tage)
    direkt: fäkal-oral
    indirekt: Nahrung, seltener Wasser
    Helicobacter-Infektionen /
    Helicobacter pylori Serokonversionszeit bis ca. 4 Wochen
     Schmier- oder Tröpfcheninfektion (Magensekret, Zahnplaques und Stuhl gelten als infektiös), Re-Infektion ist möglich
    Hepatitis A /
    Hepatitis-A- Virus
    14-40 Tage
    fäkal-oral, Wasser, Lebensmittel, diaplazentar
    Hepatitis B /
    Heparitis-B-Virus
    2-6 Monate
    parenteral durch Körperflüssigkeiten, vorwiegend Blut und Blutprodukte, Stich- und Schnittverletzungen, Sexualkontakt, diaplazentar und unter der Geburt
    Hepatitis C /
    Hepatitis-C-Virus
    ca. 50 Tage
    14 Tage - 4(6) Monate
    parenteral durch Körperflüssigkeiten, vorwiegend Blut und Blutprodukte, Sexualkontakt, Stich- und Schnittverletzungen, unter der Geburt in ca. 10 % der Fälle
    Hepatitis D (Hepatitis B-Co- oder Superinfektion) / Hepatitis-D-Virus
    bei Coinfektion 12-15 Wochen,
    bei Superinfektion 3 Wochen
    wie Hepatitis B mit HBV
    Hepatitis E /
    Hepatitis-E- Virus
    ca. 40 Tage
    fäkal-oral, Wasser, Lebensmittel
    Hepatitis G (HBV-, HCV-Superinfektion) /
    Hepatitis-G-Virus
    Serokonversionszeit 5-7 Wochen
    parenteral über Blut (gesichert), sexuell (wahrscheinlich)
    Herpes simplex-Infektion /

    Herpes-simplex-Virus
    ca. 6 Tage
    (2-12 Tage)
     
    Tröpfchen-, Kontakt- oder Schmierinfektion (Tränenflüssigkeit, Speichel, Bläscheninhalt, Genitalsekret)
    HIV-Infektion/AIDS /
    HIV 1 und HIV 2
    Serokonversionszeit 1-6 Monate
    Sexualkontakte, über Blut und Blutprodukte, über Schleimhaut des Auges, diaplazentar und unter der Geburt, gemeinsame Spritze bei Drogenabhängigen
    Infektiöse Mononukleose / Epstein-Barr-Virus
    Jugendliche 10-60 Tage, Erwachsene
    4-8 Wochen
    Kontakt zu Speichel, Sperma, Vaginalsekret, Transfusionen, Transplantaten
    Keuchhusten /
    Borderella perrussis
    1-3 Wochen
    Tröpfcheninfektion, Schmierinfektion
    Legionellose /
    Legionella pneumophila (versch. Serotypen)
    2-10 Tage
    aerogen (wahrscheinlich), Tröpfcheninfektion (Klimaanlagen, Duschköpfe)
    Masern /
    Masern-Virus 8-14 Tage
    Tröpfcheninfektion, Schmierinfektion
    Meningokokken-Infektion /
    Neisseria meningitidis
    ca. 4 Tage (1-10 Tage)
    Tröpfcheninfektion überwiegend von Keimträgern mit Besiedlung der Nasopharynx-Schleimhaut
    Mumps /
    Mumps-Virus
    ca. 18 Tage
    (12-35 Tage)
    Tröpfcheninfektion (Nasensekret, Speichel), Schmierinfektion (Urin)
    Mykoplasmen-Infektionen /

    Mvkoplasmen
    1-3 (-5) Wochen
    Tröpfcheninfektion, Sexualkontakt, Stichverletzung
    Poliomyelitis / Poliomyelitis- Viren Typ I, II, III 5-14 Tage
    fäkal-oral, selten Tröpfcheninfektion, Wasser ist wesentliches Vehikel, Schmierinfektion
    Ringelröteln /
    Parvovirus B19 13-17 Tage Tröpfcheninfektion, parenteral durch Blut, diaplazentar in ca. 10 % der Fälle
    Röteln /
    Röteln-Virus
    14-23 Tage
    Tröpfchen-, Kontakt- oder Schmierinfektion (Blut, Urin, Stuhl, Konjunktival-/Zervixsekret, Synovialflüssigkeit, Sputum), diaplazentar
    Rotavirus-Infektionen/
    Rotaviren der Gruppe A-C
    ca. 4 Tage
    (1-10 Tage) fäkal-oral, Schmierinfektion, Inhalation von virushaltigem Staub
    Salmonella-Enteritis /
    Salmonello enteritidis sp.,
    S. typhi murium
    Stunden bis wenige Tage
    Hauptweg: kontaminierte Nahrungsmittel, z.B. Eier, selten durch Dauerausscheider
    Scharlach /
    Streptococcus pyogenes
    (b-hämolysierende Strepro
    kokkeo der Serogruppe A)
    12-36 Stunden
    Tröpfchen- oder Schmierinfektion
    Syphilis /
    Treponema pallidum
    ca. 3 Wochen
    (Primäraffekt) sexuell, diaplazentar, sowie seltener durch direkten Kontakt, Übertragung durch Blut (Stichverletzung) möglich
    Typhus /
    Salmonella typhi
    ca. 10 Tage
    (3-60 Tage)
    fäkal-oral, primär durch verunreinigte Nahrungsmittel oder Trinkflüssigkeiten, sekundär durch Körperflüssigkeiten und kontaminierte Gegenstände
    Tuberkulose /
    Mycobacterium tuberculosis,
    Mycobocterium bovis

    4-8 (-12) Wochen
    Tröpfcheninfektion, selten durch kontaminierte Staubpartikel, Schmierinfektion
    Virusgrippe /
    Influenza-Virus (A, B)
    18 Stunden bis 4 Tage
    Tröpfcheninfektion, seltener Infektion durch kontaminierte Staubpartikel, nur ausnahmsweise durch Gebrauchsgegenstände
    Windpocken /
    Varicella-Zoster-Virus
    14-16 Tage
    Tröpfcheninfektion, Kontakt- und Schmierinfektion durch Bläscheninhalt, diaplazentar
    Zytomegalie
    Cyroinegolie-Virus
    4-12 Wochen, nach Bluttransfusion
    2-6 Wochen
    Schmierinfektionen, Schleimhautkontakt, sexuell, diaplazentar, durch Blut und Blutprodukte, Sekrete, Urin, Muttermilch
         
    Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 31011

    Quelle: 1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
    Institut für Präventivmedizin

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