Von Tieren auf Menschen übertragene Infektionen
Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten
Zu den Infektionskrankheiten gehören auch diejenigen, welche von Tieren auf Menschen übertragen werden, BK-Nr. 3102. Gefährdet sind insbesondere Personen, die mit Tierpflege oder Tierhaltung beschäftigt sind sowie diejenigen, die sonstigen beruflichen Umgang mit Tieren, tierischen Erzeugnissen oder Ausscheidungen haben. Gefährdet sein kann der Schlachter der Lungentuberkulose oder der Landwirt, der seine Kühe selbst fütterte. Möglicherweise wird man auch die BSE-Fälle dazu zählen müssen. Nach Umgang mit infizierten Tieren, tierischem Material oder ähnlichem können von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheitserreger über Haut oder Schleimhäute in den menschlichen Körper eindringen. Dies ist auch möglich durch Einatmen von mit Krankheitserregern verunreinigter Luft oder über die Verdauungswege, z.B. durch verschmutzte Hände. Durch Rinder können die Erreger der Bangschen Krankheit, durch Schafe und Ziegen die des Malta-Fiebers, durch Schweine die der Schweinebrucellose übertragen werden. Die Aufnahme der Erreger erfolgt in erster Linie durch unmittelbaren Kontakt mit infizierten Tieren, aber auch z.B. durch Trinken roher Milch (Melker, Milchprüfer und ähnliches). Von Rindern, Schweinen, Ziegen, gelegentlich auch von Hunden und Katzen sowie Geflügel kann Tuberkulose übertragen werden. Dadurch können unter anderem die sogenannte Impftuberkulose, eine regionäre Lymphdrüsentuberkulose, eventuell auch Lungentuberkulose und in späteren Stadien andere Organtuberkulosen (auch Sehnenscheidentuberkulose) auftreten. An weiteren einschlägigen Erkrankungen sind zu erwähnen der Rotlauf, die Listeriose, der Milzbrand, die Tularämie, die Rattenbißkrankheit, Rotz (Malleus), Erkrankungen durch Salmonellen. Nicht durch Bakterien, sondern durch Leptospiren werden offenbar übertragen die Weilsche Krankheit, die sogenannte Stuttgarter Hundeseuche, das Feld-Fieber (etwa Schlammfeld-Fieber, Sumpf-Fieber, Reisfeld-Fieber usw.). Es ist die Rede von der Erbsenpflückerkrankheit und der Schweinehirtenkrankheit. Infektionsquelle für letztere ist das Schwein, für die übrigen Leptospirosen alle Mäusearten oder deren Ausscheidungen. Durch Viren können die Tollwut, die Ornithose durch Vögel, die Maul- und Klauenseuche, die Pferdeencephalomyelitiden, die atypische Geflügelpest übertragen werden. Zu den von Tieren auf Menschen übertragbaren Rickettsiosen gehören das die Rinder, Schweine und Ziegen befallene Q-Fieber und das bei Wild und Nagetieren gelegentlich vorkommende Rocky-Mountains-Fieber. Erregerhaltiger Zeckenkot spielt in der Epidemiologie des Q-Fiebers eine wesentliche Rolle. Erkrankungen durch Hautpilze, übertragen von infizierten Tieren, kommen nicht selten vor. Die Toxoplasmose, die bei Hunden, sonstigen Haus-, Nutz- und Wildtieren, darunter auch Nagetieren und anderen vorkommt, verläuft beim Menschen vielfach unter dem Bild einer Meningoenzephalitis mit Fieber und Krampfanfällen. Als Erreger von Infektionskrankheiten durch Tiere kommen auch die Bandwürmer, die Milben und auch Pockenvakzine als mögliche Ursache des sogenannten Melkerknotens in Betracht. Ein besonderer Fall der Berufskrankheit wird berichtet aus dem Bereich der Infektion Schwangerer.
Fall: Bei Erkrankung oder latenter Infektion Schwangerer mit Toxoplasmose oder Listeriose ist die Übertragung der Krankheitserreger auf den Fötus möglich. Es kann zur Frühgeburt oder Schädigung des Fötusses bis hin zur Totgeburt kommen.
Die Kälberflechte des Halses bei einem Landarbeiter stellte ebenfalls eine Berufskrankheit dar. Im Rahmen der Infektionskrankheiten der Haut durch tierische Infektionen brauchen die weiteren Voraussetzungen etwa der beruflichen Hauterkrankung nach der Nr. 5101 nicht vorzulegen, also nicht deren Schwere oder wiederholte Rückfälligkeit. Bei Verdacht auf Tollwutinfektion soll der durch außergewöhnliche Umstände begründete Gefahrenzustand eines Versicherten versicherungsrechtlich der Erkrankung selbst gleichzusetzen sein, so als ob die Krankheit tatsächlich begonnen hätte. Ist mit Wahrscheinlichkeit der baldige Ausbruch der Erkrankung an Tollwut zu erwarten, soll es nicht zusätzlich des Nachweises der Infektion bedürfen, um die Notwendigkeit einer Schutzimpfung zu begründen. Angezeigte Verdachtsfälle finden sich jährlich offenbar in der Größenordnung von mehr als 800 Fällen. Neu berentet werden nur wenig mehr als 30 Fälle jährlich. Die Dunkelziffer dürfte beachtlich sein, wenn man nur an die Landwirtschaft denkt.
Berufskrankheit Nr. 3102
(Bek. des BMGF v. 1. 9. 2003, BArbBl. 10/2003 S. 26) als Ersatz für das vormals relevante "Merkblatt zu BK Nr. 38 der Anl. 1 zu 7. BKVO", Bek. des BMA v. 12.6.1963, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1963, 131ff);
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Sektion" Berufskrankheiten", hat die nachstehende Neufassung des Merkblatts zur der Berufskrankheit Nr. 3102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung verabschiedet, die hiermit bekanntgemacht wird.
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Unter der BK-Nr. 3102 werden diejenigen Infektionen und deren Krankheitsbilder erfasst, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Nach Angaben der WHO sind über 200 Krankheiten, die als Zoonosen bezeichnet werden, bekannt. Von dieser Vielzahl an Zoonosen können einige auch in Deutschland vorkommen. Ein Infektionsrisiko kann insbesondere bei den Personen vorliegen, die beruflich mit Tierhaltung und -pflege beschäftigt sind oder sonstigen beruflichen Umgang mit Tieren, tierischen Erzeugnissen oder Ausscheidungen haben. Eingeschlossen ist der Umgang mit Gegenständen, die mit infizierten Tieren sowie mit deren Teilen oder Ausscheidungen in Kontakt gekommen sind. Ein berufsgruppentypisches Infektionsrisiko für Zoonosen kann demnach vorkommen: bei landwirtschaftlichem und veterinärmedizinischem Personal, Schlachthofpersonal, Beschäftigten in Tierlabors, in der Jagd- und Forstwirtschaft, in Tierkörperverwertungsanstalten, zoologischen Gärten, Wildgehegen und Zoohandlungen sowie bei Personen, die beruflichen Umgang mit Fleisch, Fisch, Milch, Eiern, Häuten, Fellen, Pelzen, Tierborsten, -haaren, Federn und Knochen haben; ferner auch bei Personen mit Kontakt zu infektiösem Material in der Abwasserbeseitigung. Die meisten Zoonosen kommen in anderen Ländern vor und sind ggf. nach Auslandsaufenthalt von Geschäftsreisenden, Entwicklungshelfern, Monteuren, Reiseleitern etc. mit in Betracht zu ziehen.
II. Ätiopathogenese
Zoonosen werden hervorgerufen durch Bakterien (incl. Chlamydien und Rickettsien), Viren, Pilze, Parasiten (Protozoen, Helminthen oder Arthropoden); diskutiert wird gegenwärtig, ob sie auch durch Prionen (Abkürzung von engl. Proteinaceous infectious particles - infektiöses Protein) verursacht werden können. Nach Umgang mit infizierten Tieren, tierischem Material o. ä. können Krankheitserreger über die Haut oder Schleimhäute in den menschlichen Körper eindringen; dies ist auch möglich durch Einatmen von mit Krankheitserregern verunreinigter Luft oder über den Verdauungsweg z. B. über kontaminierte Hände (Schmutz- oder Schmierinfektion). Als Erregerreservoir kommen vor allem Säugetiere - Pferd, Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Hund, Katze, Fledermaus, Hamster, Maus, Ratte, Igel - und Vögel sowie Fische in Betracht. Auch latent infizierte Tiere können als Reservoir zur Erhaltung von Erregern beitragen. Die Weitergabe der Krankheitserreger ist häufig an Arthropoden (Insekten, Zecken oder Spinnentiere) und Nager gebunden. Insbesondere Nagetiere, Fliegen, Schaben oder Pharaoameisen können krankheitsauslösende Keime auf mechanischem Wege auf empfängliche Wirte (Mensch oder Tier) sowie Medien übertragen. Bekannt als Vektoren (Verschlepper von Krankheits- oder Lebensmittelverderbniserregern) und Reservoir (Zwischenwirte von Parasiten) sind Schild- und Lederzecken, Fliegen, Stechfliegen, Schaben, Bremsen, Flöhe, Läuse, Ratten und Mäuse. Neben lebenden Vektoren gibt es auch unbelebte wie Wasser, Staub, Luft, tierische Abfälle, Pflegegegenstände usw. Nach einer für jede Infektion typischen Inkubationszeit, in der die Vermehrung der Erreger erfolgt, beginnen im Allgemeinen (plötzlich) die Krankheitssymptome. Dabei variiert die Inkubationszeit in Abhängigkeit von Anzahl und Übertragungsweg der Erreger und der individuellen Disposition der infizierten Person.
III. Krankheitsbilder und Diagnosen
Bezüglich der Krankheitsbilder und ihrer Diagnosen wird auf die einschlägigen Lehrbücher
verwiesen. Geordnet nach Erregergruppen können in Deutschland hauptsächlich folgende
Krankheiten vorkommen:
1. Hervorgerufen durch Bakterien (incl. Chlamydien und Rickettsien)
4.1. Protozoen
4.2. Würmer
Zum Beispiel Milben als Krankheitserreger der Krätze, Räude u.a. können beim Umgang mit
Eiern, tierischem Material o.ä. übertragen werden.
Zur Veranschaulichung der Bedeutung des berufskrankheitsrelevanten zeitlichen
Zusammenhangs sind Inkubationszeit, Reservoir, Infektionsweg und typische Krankheitsbilder
in alphabetischer Reihenfolge im Anhang dargestellt.
Die Anamnese und klinischen Symptome erlauben in den meisten Fällen nur eine
Verdachtsdiagnose. Die Absicherung der Diagnose sowie deren Ätiologie erfolgt durch einen
direkten Erregernachweis und/oder Antikörpernachweis (am Besten zwei Untersuchungen im
Abstand von 10 bis 14 Tagen zur Kontrolle der Titerdynamik; eine einmalige serologische
Untersuchung erlaubt vielfach keine zuverlässige diagnostische Aussage). Bei Viren mit
vorhandenen Subtypen besteht die Möglichkeit, über die genomischen Analysen der (über
Zellkultur) nachgewiesenen Viren die Infektionsquelle sicher zu identifizieren oder
auszuschließen. Dies ist auch bei einigen Bakterien-Spezies, wie z.B. Campylobacter ssp.,
Salmonella ssp. mittels Lysotypie, Plasmidfingerprinting oder
Restriktionsenzymanalysen möglich. Als gesicherte Infektionsquelle kann im Einzelfall auch ein
nachgewiesenes (Erreger- und/oder Antikörpernachweis) oder endemisches Vorkommen der
Infektionserreger beim Tier gelten.
IV. Weitere Hinweise
Für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit ist das Vorkommen des
jeweiligen Erregers am Arbeitsplatz ebenso eine Voraussetzung wie eine zeitliche Verbindung
zur Exposition. Die Erkrankung muss sich innerhalb einer Zeit entwickeln, die im Rahmen der
Inkubationszeit liegt.
Bei inapparent verlaufenden Erkrankungen sollte die Entwicklung des betreffenden Stadiums
und der eventuelle Folgezustand der Infektionserkrankung bedacht werden; auch
Oberträgungsweg und Infektiosität des Erregers sind mit zu berücksichtigen. Komplikationen
und Dauerschäden können besonders bei Brucellose, enterohämorrhagischen E.
coli-Infektionen, FSME, Leptospirose, Lyme-Borreliose, Q-Fieber Tuberkulose und enteralen
Yersiniosen auftreten.
Sofern Krankheiten nicht vom Tier auf den Menschen sondern von Mensch zu Mensch
übertragen worden sind, trifft gegebenenfalls die BK Nr. 3101 zu.
Bezüglich der Schädigung einer Leibesfrucht infolge beruflich bedingter Infektion der
Schwangeren an einer Zoonose (z. B. bei Chlamydiose, Leptospirose, Listeriose,
Lyme-Borreliose, Toxoplasmose) während der jeweiligen Schwangerschaft ist eine
Entschädigung des Kindes nach § 12 SGB VII in Betracht zu ziehen.
Für die in Deutschland bei Pferden beobachtete, durch Bornaviren hervorgerufene
Enzephalomyelitis ist der Zoonose-Status noch nicht zuverlässig geklärt. Die Identität der vom
Pferd und vom Menschen isolierten Viren gilt bislang als nicht bewiesen.
Bisher konnten keine Humanen Spongiformen Enzephalopathien durch Übertragung von BSE
(bovine spongiform encephalopathy)Erregern als Erkrankung mit den Merkmalen einer
Berufskrankheit festgestellt werden. Dies gilt auch für verwandte TSE (transmissible spongiform
encephalopathy)-Erreger wie das ScrapieAgens, welches nur Schafe und Ziegen befällt.
Verdachtsfälle sollten trotzdem gemeldet werden.
V. Literatur
Gerald L Mandell, John E Bennett, Raphael Dolin. - 5.Aufl., Philadelphia, Pennsylvania,
Churchill Livingstone 1552-3 (2000)
5.Aufl., Philadelphia, Pennsylvania, Churchill Livingstone 2000, 3239-45
Anhang: Kurzcharakteristik der wichtigsten von Tieren auf Menschen übertragbaren
Krankheiten
Quelle:
1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin