Asbeststaub (Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs)

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs

Anmerkung: Bei entsprechender Exposition können 25 Asbestfaserjahre schon nach wenigen Monaten erreicht sein.

Fall: Sie waren als Isolierer gewerblich eingesetzt und erkranken an einem Lungenkrebs, ohne daß zugleich eine sogenannte Asbestose im Sinne einer Staublunge feststellbar ist. Neu ist an der Berufskrankheitenliste, daß Fälle von Lungenkrebs in Verbindung mit 25 sogenannter Asbestfaserjahre, die ab dem 01.04.1988 auftreten, berufsgenossenschaftlich entschädigt werden müssen. Sie weisen 60 sogenannter Asbestfaserjahre aus beruflicher Arbeit auf.

Gegen die Neuregelung, daß im Asbestlungenkrebsfall auf eine Staublunge verzichtet werden kann, wenn nur mindestens 25 Asbestfaserjahre vorliegen, haben sich die Berufsgenossenschaften jahrelang heftig gewehrt. Bis auf offenbar zwei dokumentierte Ausnahmen wurden Fälle dieser Art in der Vergangenheit berufsgenossenschaftlich vom Versicherungsschutz ausgenommen, obwohl es neue Erkenntnisse gab, daß die Asbeststaublunge und der Asbestkrebs zwei verschiedene Auswirkungen ein und derselben Ursache Asbest sind und diese nicht notwendig miteinander vergesellschaftet auftreten. Im gebildeten Fall müssen Sie nun das Glück haben, daß Ihr Lungenkrebs nach dem 31. März 1988 aufgetreten ist, weil ansonsten die Berufsgenossenschaft trotz der Neuregelung und Erweiterung der Berufskrankheitenliste um diese Fälle Ihnen gleichwohl einen Ablehnungsbescheid erteilen wird, und zwar aus Stichtagsgründen.

Tip: Legen Sie auf jeden Fall Widerspruch ein gegen eine berufsgenossenschaftliche Ablehnung. Für Erkrankungsfälle aus der Zeit vor dem Stichtag des 01. April 1988 gilt nach wie vor die Öffnungsklausel des § 551 II RVO (Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall). Berufen Sie sich auf die zwei bereits in Entschädigung befindlichen Präzedenzfälle, die in der Statistik zu
§ 551 II RVO dokumentiert sind.

Lassen Sie sich nicht durch Hinweise auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ins "Boxhorn" jagen, daß etwa im Falle der Erweiterung der Berufskrankheitenliste Fälle aus der Vorzeit nicht mehr nach § 551 II RVO entschädigt werden dürften. Diese Rechtsprechung ist so falsch, als würde ein Arzt Lunge und Niere verwechseln. Ein formelles Gesetz wie § 551 II RVO kann nicht durch die rechtlich schwächere Berufskrankheitenverordnung bzw. deren Erweiterung noch dazu rückwirkend außer kraft gesetzt werden.

Tip: Halten Sie also Ihren Rechtsbehelf auf jeden Fall aufrecht, und zwar bis zur Klärung dessen, daß die Rechtsprechung des BSG insofern nicht haltbar ist.

Selbst wenn Sie das „Glück“ haben, daß Ihr Lungenkrebs nach dem 31. März 1988 aufgetreten ist, können Sie bereits wie mancher andere im Besitz eines berufsgenossenschaftlichen Ablehnungsbescheides sein, weil die Änderungsverordnung erst im Dezember 1992 erlassen worden ist.

Tip: Stellen Sie auch in diesem Fall Entschädigungsantrag bei der Berufsgenossenschaft und Antrag auf Überprüfung. Berufen Sie sich auf § 6 Absatz 4 der Berufskrankheitenverordnung („Bindende Bescheide und rechtskräftige Entscheidungen stehen der Anerkennung als Berufskrankheit nicht entgegen.“)

Offenbar greifen die Berufsgenossenschaften nicht einmal die Neufälle ab 01.04.1988 von Amts wegen auf, wenn diese bereits abgelehnt waren. Es hängt derzeit vom Zufall ab, ob Fälle aus der Zeit ab 01.04.1988 entschädigt werden oder nicht. Schlimmer noch ist aber, daß Fälle aus der Vorzeit des 01.04.1988 augenscheinlich grundsätzlich abgelehnt werden, obwohl mindestens 25 sogenannter Asbestfaserjahre beim Asbestlungenkrebs erreicht sind. In einem solchen Fall können die Kinder des Versicherten noch minderjährig sein.

Wohlgemerkt: Die Fälle aus der Vorzeit des 01.04.1988 sind rechtlich nach § 551 II RVO entschädigungspflichtig, als Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall.

Sollten Sie bereits an dem Lungenkrebs verstorben sein, können Ihre Hinterbliebenen zunächst einmal Antrag auf Hinterbliebenenleistungen, insbesondere also auf Witwen- und Waisenrente, stellen. Ihre Ehefrau, die bis zum Schluß mit Ihnen im gleichen Haushalt gelebt und Sie gepflegt hat, hat gegebenenfalls noch die Möglichkeit, bei der Berufsgenossenschaft das Pflegegeld und die Lebzeitenrente zu beantragen.

Hinweis: War die Verletztenrente bindend abgelehnt, so kann insofern eine Zäsur eintreten, als auf den Überprüfungsantrag hin die Verletztenrente für die Lebzeiten des Versicherten längstens für 4 Jahre zurück gewährt wird, gerechnet vom Beginn des Jahres an, in welchem der Überprüfungsantrag gestellt wird.

Noch ein Hinweis zur sozialpolitischen Entwicklung der Erweiterung der Berufskrankheitenliste um die sogenannten 25 Asbestfaserjahre.

Hinweis: Der Gutachter, der es 1981 in Übereinstimmung mit der Internationalen Berufskrank-heitenliste der IAO, Genf, gewagt hatte, einen Fall des Asbestlungenkrebs zur berufsgenossenschaftlichen Entschädigung vorzuschlagen, ohne daß gleichzeitig eine Asbestose vorlag, geriet in die berufsgenossenschaftliche Schußlinie. Während dieser Experte bis zu diesem Zeitpunkt auf ein oder zwei Jahre mit Gutachten im Voraus belegt war, gingen in der Folgezeit die Gutachtenaufträge bis auf den Tagesstand zurück. Es ist nicht verwunderlich, daß dieser Sachverständige dann das Faserjahrmodell entwickelte.

Fall: Sie weisen nur 20 Asbestfaserjahre auf im Lungenkrebsfall nach beruflicher Asbesteinwirkung, weshalb die Berufsgenossenschaft prompt einen Ablehnungsbescheid erteilt.

Tip: Mißtrauen Sie der Richtigkeit der Faserjahrberechnung. In vielen Fällen muß sich die Berufsgenossenschaft zugunsten der Erkrankten korrigieren.

Streit besteht in der Bewertung von bestimmten Arbeitsvorgängen. Zum Beispiel wurden nach Angaben eines Technischen Aufsichtsbeamten beim Trennschleifen von Asbestzement früher 100 Millionen Asbestfasern pro Kubikmeter Atemluft freigesetzt. Einen Kubikmeter Atemluft ventilieren Sie in einer Stunde. Bei Prüfstandbedingungen ergab sich sogar der Wert von 500 Millionen Asbestfasern pro Kubikmeter Atemluft. Deshalb ist es nicht einzusehen, daß die Berufsgenossenschaft geringere Werte für die Praxis zugrunde legt, als ob man besenreine Verhältnisse zu rekonstruieren versuchte.

Frage: Woher aber kommt die Richtschnur oder das Ablehnungsmerkmal von mindestens 25 Asbestfaserjahren, d.h. woher kommt diese Zahl?

Antwort: Beim BMA in Bonn war man der Meinung, daß eine Verdoppelung des Risikos erforderlich wäre, will man die Berufskrankheitenliste erweitern.

Rechtlich findet sich in keinem Gesetz, daß ein Schaden erst dann zu entschädigen sein könnte, wenn das Risiko von dessen Eintritt verdoppelt wäre. Auch eine Risikosteigerung von 33 1/3 % etwa kann sehr wesentlich sein, weshalb dann auch mindere Faserjahrzahlen sehr wohl erheblich sein können, also 20 oder 15 Asbestfaserjahre, wie auch immer. Die Anlegung des Maßstabes der Verdoppelungsdosis bei der Setzung der Rechtsnorm erscheint als ein willkürlicher mathematischer Eingriff, der mit der praktischen Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen ist und nun überdeutlich gegen die Kausalitätsnorm in der gesetzlichen Unfallversicherung verstößt, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Ursache ausreichend sein soll für den Versicherungsschutz. Hinsichtlich der Erweiterung der Berufskrankheitenliste um die Kehlkopfkrebsfälle nach Asbesteinwirkung muß kritisch angemerkt werden, warum diese nicht schon viel früher stattfand und warum ausgerechnet diese Erkrankung wiederum an Beweisregelungen geknüpft wird, die mit einer Kehlkopfkrebserkrankung wenig zu tun haben.

Tip: Haben Sie eine nennenswerte berufliche Asbestexposition zurückgelegt, legen Sie im Falle von Kehlkopfkrebs Widerspruch ein, wenn die Berufsgenossenschaft ablehnt.

Krebsfälle nach der Listennummer 4104 werden jährlich in der Zahl bis zu 2.000 gemeldet. Die neuen Rentenfälle liegen etwa bei 700 jährlich.


Berufskrankheit Nr. 4104
Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 4104
der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung
(Bek. des BMA v. 1.12.1997 - IVa 4-45206, BArbBl 12/1997, S. 32)
 
Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
  • in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose)
  • in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
  • bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre])

  • I. Vorkommen und Gefahrenquellen
    (s. Merkblatt zu Nr. 4103)

    II. Pathophysiologie
    (s. Merkblatt zu Nr. 4103)
    Eingeatmete Asbestfasern besitzen neben fibrogenen für den Menschen gesicherte kanzerogene Eigenschaften. Wie für andere Tumoren gilt sowohl für den asbestverursachten Lungenkrebs (hier synonym: Bronchialkarzinom) als auch für den asbestverursachten Kehlkopfkrebs (hier synonym: Larynxkarzinom gemäß der TNM-Klassifikation der UICC), daß die Erkrankungswahrscheinlichkeit im wesentlichen vom Lebensalter, der individuellen Disposition sowie der in den Körper aufgenommenen und mit den Zielzellen in Wechselbeziehung tretenden Dosis beruflicher und außerberuflicher krebserzeugender Noxen abhängt. Eingeatmete Asbestfasern können eine lokale krebserzeugende Wirkung auf die Epithelzellen der mittleren und tieferen Atemwege ausüben. Ergebnisse der Grundlagenforschung haben für Asbestfasern bestimmter kritischer Abmessungen sowohl tumorinitiierende als auch tumorpromovierende Wirkungen nachgewiesen. Zu den Mechanismen der Asbestfaserkanzerogenese zählen u.a. die Stimulierung des Zellwachstums entsprechend demjenigen maligner Zellen (Transformation) sowie Mitosestörungen, welche zu Veränderungen von Zahl (Aneuploidie, Polyploidie) und Struktur (Brüche, Fragmente) der Chromosomen führen.
    Die vorliegenden Erkenntnisse sprechen dafür, daß Erkrankungen an asbestfaserinduzierter Fibrose, Lungenkrebs und Kehlkopfkrebs unterschiedliche Endpunkte an getrennten Zellsystemen ablaufender Pathomechanismen sind, bei denen Wechselwirkungen vorkommen können.
    Einen wesentlichen kanzerogenen Einfluß besitzen Durchmesser, Länge und Form der eingeatmeten und im Atemtrakt deponierten Asbestfasern sowie ihre von der chemischen Zusammensetzung abhängige Beständigkeit im Gewebe, möglicherweise auch Oberflächeneigenschaften. Individuelle Bedeutung haben das broncho-pulmonale Reinigungsvermögen und weitere dispositionelle Faktoren. In seiner Bedeutung bekannt ist das Zusammenwirken von Asbestfasern mit anderen inhalativen und speziell krebserzeugenden Noxen, insbesondere dem Zigarettenrauch.
    Die Ablagerung von Asbestfasern kritischer Abmessungen im Kehlkopfbereich ist prinzipiell auf
    2 Arten möglich:
    a) Durch Zentrifugalkräfte aufgrund der Verwirbelung des Luftstromes infolge der Kehlkopfgeometrie (Impaktion).
    b) Durch die mukoziliare Clearance (Deposition). Hierdurch werden im tiefergelegenen Atemtrakt abgelagerte Faserstaubpartikeln über das Flimmerepithel der Schleimhaut in Richtung Kehlkopf rücktransportiert.
    Hals-Nasen-Ohrenärztliche Untersuchungen haben gezeigt, daß ein erheblicher Anteil eingeatmeter Teilchen besonders im vorderen Stimmbandbereich abgelagert wird. Beim vorderen Stimmbandbereich handelt es sich um eine Prädilektionsstelle der Kehlkopfkrebserkrankung. Asbestfasern in der Schleimhaut des Larynx konnten nachgewiesen werden, ebenso Asbestkörperchen im Larynxbereich. Nicht maligne asbestfaserbedingte Veränderungen sind als "laryngeal asbestosis" beschrieben worden. Es liegen keine biologisch plausiblen Erkenntnisse darüber vor, daß die Wirkungen von Asbestfaserstaub auf das Zielgewebe des Larynx von denjenigen auf die tiefergelegene Bronchialschleimhaut differieren.

    III. Krankheitsbild und Diagnose
    Lungenkrebs
    Der asbestverursachte Lungenkrebs weist klinisch und diagnostisch keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale gegenüber einem Lungenkrebs anderer Ätiologie auf. Die Frühsymptome sind uncharakteristisch. Beispielhaft zu nennen sind therapieresistenter Reizhusten, blutiger Auswurf, Atelektasen und bronchopneumonische Prozesse mit verzögerter Heilungstendenz. Bildgebende Verfahren, bronchoskopische und Sputumuntersuchungen auf tumorverdächtige Zellen stützen die Verdachtsdiagnose. Bei Asbestfaserstaub-Einwirkung in der Arbeitsanamnese müssen alle verdächtigen. z. B. röntgenologischen Veränderungen und jeder Bildwandel dringend abgeklärt werden.*)
    Eine frühzeitige bioptische Klärung ist anzustreben. Feingeweblich werden alle bekannten Turmorformen gefunden.
    Relativ bevorzugt sind - wie bei der Lungenasbestose - die Unterfelder betroffen. Der Primärsitz
    des Tumors kann sich im Bereich sowohl der Lungenwurzel als auch der Lungenperipherie
    befinden. Differentialdiagnotisch müssen insbesondere Lungenmetastasen eines Primärtumors
    anderer Lokalisation ausgeschlossen werden.
    Kehlkopfkrebs
    Der wesentlich durch Abestfaserstaub am Arbeitsplatz mitverursachte Kehlkopfkrebs weist
    klinisch und diagnostisch keine verwertbaren Unterscheidungsmerkmale gegenüber
    Larynxkarzinomen anderer Ätiologie auf. Die Erkrankung beginnt mit Heiserkeit,
    Schluckbeschwerden und Fremdkörpergefühl. Später treten Luftnot bzw.
    Halslymphknotenschwellungen hinzu. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels
    Kehlkopfspiegelung und bioptischer Verfahren zur histologischen Differenzierung. Bildgebende
    Verfahren dienen nicht der primären Diagnosestellung. Meist handelt es sich um verhornende
    Plattenepithelkarzinome, seltener um gering verhornende oder undifferenzierte Karzinome. Die
    gute Zugänglichkeit und die Tatsache, daß Frühstadien an den Stimmbändern durch Heiserkeit
    auffallen, läßt Tumoren dieser Lokalisation oft rechtzeitig diagnostizieren und erfolgreich
    behandeln. In fortgeschrittenen Tumorstadien führt die komplette Entfernung des Kehlkopfes z.
    T. ebenfalls zu längerfristigen tumorfreien Überlebenszeiten. Frühstadien lassen sich durch
    Teilresektion des Kehlkopfes oder manchmal Radiotherapie behandeln. Die Sterblichkeit infolge
    des Kehlkopfkarzinoms ist stadienabhängig. Sie liegt insgesamt bei 40 bis 50 % der Erkrankten.

    IV. Weitere Hinweise
    Lungenkrebs
    Im Ursachenspektrum des Lungenkrebses werden zunehmend äußere Einflüsse erkannt. An
    erster Stelle ist das Zigarettenrauchen zu nennen. Unter den Risikofaktoren des Arbeitsplatzes
    besitzt Asbestfaserstaub Priorität. Die Asbestfaserstaub-Einwirkung am Arbeitsplatz und die
    Zigarettenrauchinhalation wirken offensichtlich multiplikativ zusammen. Eine längerfristige,
    intensive Einwirkung von Asbestfaserstaub am Arbeitsplatz erhöht das Grundrisiko, an
    Lungenkrebs zu erkranken, sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Zigarettenrauchern um ein
    Mehrfaches.
    Die individuellen Besonderheiten einer Asbestfaserstaub-Einwirkung können in der Regel nur
    durch eine gründliche, sachverständige und lückenlose Arbeitsplatz- und Berufsanamnese in
    Erfahrung gebracht werden. Hierbei ist stets die jahrzehntelange Latenzzeit seit Beginn der
    Asbestfaserstaub-Einwirkung zu berücksichtigen. Das Risiko besteht auch nach Ende der
    Asbestfaserstaub-Einwirkung fort. Die Anamnese hat stets auch die Rauchgewohnheiten
    möglichst detailliert zu erfassen.
    Beim Vorliegen einer Lungenasbestose, einschließlich Minimalasbestose (s. Merkblatt zu Nr.
    4103) ist das Lungenkrebsrisiko erhöht. Der Nachweis einer Minimalasbestose setzt eine
    gezielte lichtmikroskopisch-feingewebliche Untersuchung voraus.
    Auch die durch Asbestfaserstaub verursachte Erkrankung der Pleura ist als Marker für eine

    zurückliegende, wesentliche Asbestfaserstaub-Einwirkung und darüber hinaus für ein erhöhtes
    Lungenkrebsrisiko anzusehen.
    Die im Merkblatt zu Nr. 4103 genannten verschiedenen Formen der durch Asbestfaserstaub
    verursachten Pleuraerkrankungen sind ebenso, wie die Lungenasbestose, einschließlich
    Minimalasbestose, als Kriterium für die Wahrscheinlichkeit einer durch Asbest verursachten
    Erkrankung an Lungenkrebs anzusehen.
    Diese Kriterien zur Bestätigung einer wesentlichen Asbestfaserstaub-Einwirkung am
    Arbeitsplatz wurden aufgrund erweiterter und gefestigter Erkenntnisse über
    Dosis-Häufigkeits-Beziehungen durch das Faserjahrmodell ergänzt.
    Für die Beschäftigten dreier arbeitsmedizinisch bedeutsamer Bereiche (Asbestzementindustrie.
    Asbesttextilindustrie, Asbestisolierbranche) wurde eine Verdopplung der Sterberate an
    Lungenkrebs im Vergleich zur übrigen Bevölkerung beim Erreichen einer bestimmten
    kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis**) epidemiologisch nachgewiesen (Verdopplungsdosis).
    Als verallgemeinerungsfähige Verdopplungsdosis werden 25 Faserjahre angesehen. Die
    Verdopplungsdosis ist erreicht, wenn das Produkt k x J oder die Summe der Produkte
    mindestens 25 Faserjahre beträgt.
    Der begründete Verdacht des Vorliegens eines durch Asbestfaserstaub verursachten
    Lungenkrebses ist gegeben bei langjähriger und intensiver Asbestfaserstaub-Gerährdung am
    Arbeitsplatz, verbunden mit:
    *) Für die röngtgenologische Diagnose der Asbestose von Lunge und/oder Pleura ist die
    Internationale Staublungen-Klassifikalion (ILO/80 Bundesrepublik Deutschland) in optimaler
    Hartstrahltechnik anzuwenden (s. auch Anhang zum Merkblatt zu Nr. 4103)
    **) Die Maßeinheit für die Asbestfaserstaub-Dosis ist das Faserjahr. Faserjahre sind das
    Produkt aus mittlerer Asbestfaserkonzentration k (in 106 Fasern der kritischen Abmessungen
    [Länge über 5 m m Durchmesser unter 3 m m, Verhältnis Länge : Durchmesser über 3 : 1] pro
    m3 Atemluft) und der Dauer der Faserexpositit) J (in Jahren bei 8-Siundenschichten). Bei
    wechselnder mittlerer Asbestfaserkonzentation (ki) über wechselnde Expositionszeiten (Ji)
    ergeben sich die Faserjahre aus der Summe der Produkte ki x Ji.
    1. Asbestose der Lungen
        a) bei Vorliegen röntgenologischer Lungenveränderungen mindestens ab der Streuung 1/0
    oder bei
        b) "Minimalasbestoses" (durch histologisch bestätigten Befund) oder
    2. mit durch Asbestfaserstaub verursachten Veränderungen der Pleura, wie im Anhang zu
    Merkblatt zu Nr. 4103 ausgeführt.
    Bei Lungenkrebserkrankungen nach langjähriger und intensiver Asbestfaserstaub-Gefährdung
    am Arbeitsplatz ist auch bei schwächeren oder fehlenden Anzeichen auf die o.a. Befunde im
    Hinblick auf die erforderliche Ermittlung einer zurückliegenden kumulativen

    Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz (mindestens 25 Faserjahre) eine Anzeige geboten.
    Rechenbeispiele für 25 Faserjahre:
    Rechenbeispiele für 25 Faserjahre: 1) 25 x  10 6 F/m 3

    1 J. 

    25 Faserjahre
    2) 2 x  10 6 F/m 3

    12,5 J. 

    25 Faserjahre
    3) 0,5 x  10 6 F/m 3

    50 J. 

    25 Faserjahre
    4) 0,5 x  10 6 F/m 3

    x
    20 J.

    10 Faserjahre
    +  10 6 F/m 3

    15 J. 

    15 Faserjahre
    Summe  = 
    25 Faserjahre
    Kehlkopfkrebs
    Die Inzidenz von Larynxkarzinomen in der Allgemeinbevölkemng beträgt 4 bis 7 Fälle pro 100 000 Einwohner und Jahr. Die Latenzzeit, d. h. die Zeit zwischen Beginn der Einwirkung krebserzeugender Noxen und dem Krankheitsbeginn beträgt erfahrungsgemäß
    mindestens 10 Jahre. Ein besonders bedeutsamer und vielfach bestätigter Risikofaktor für diese Karzinomlokalisation ist das Tabakrauchen. In einigen Studien konnte darüber hinaus eine Assoziation zwischen dem Auftreten von Larynxkarzinomen und dem
    Alkoholkonsum nachgewiesen werden. Fall-Kontroll-Studien. bei denen die wichtigsten, nicht arbeitsbedingten Risikofaktoren adjustierend berücksichtigt werden konnten, ergaben eine wesentliche Mitverursachung des Kehlkopfkrebses durch eine langjährige
    intensive Asbestfaserstaub-Einwirkung am Arbeitsplatz. Ergebnisse der Kohortenstudien weisen in die gleiche Richtung. In Studien, in denen sowohl die Rauchgewohnheiten berücksichtigt als auch die Asbestfaserstaub-Einwirkung objektiv und quantitativ erfaßt
    werden konnten, fanden sich Expositions-Wirkungsbeziehungen. Hinzu kommt das molekularbiologische und zytogenetische Wissen über die lokal krebserzeugende Wirkung von Asbestfasern kritischer Abmessungen, das bevorzugte Depositions- und
    Impaktionsverhalten dieser Fasern im Larynxbereich einschließlich des Vorkommens nicht maligner asbestfaserbedingter Effekte. Darüber hinaus fanden sich in Studien nicht nur eine positive Assoziation zwischen Pleuraplaques und dem Kehlkopfkrebsrisiko,
    sondern auch Hinweise auf Dosis-Häufigkeitsbeziehungen und Konsistenz der Studienergebnisse. Letztere gilt z. T. unter Adjustierung der wichtigsten, nicht arbeitsbedingten Risikofaktoren wie der Rauch- und Alkoholkonsumgewohnheiten. Hieraus ist beim
    Nachweis der gem. Nr. 4104 für die Anerkennung als asbestverursachter Lungenkrebs bereits bisher geforderten Röntgenbefunde auch für den Kehlkopfkrebs die Asbestverursachung als wesentliche Mitursache begründet. Zur Charakterisierung einer
    Risikoverdopplung gelten die o. g. Kriterien der Erkrankung an Lungenkrebs.
    Die Ermittlung der zurückliegenden kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz obliegt in der Regel dem Unfall-Versicherungsträger.
     

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  • Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 41041

    Quelle: 1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
    Institut für Präventivmedizin

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