Nickelstaub (bösartige Neubildungen an Atemwegen und Lungen)

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

Nickel und seine Verbindungen werden in zunehmendem Maße in allen hochindustriellen Ländern verwendet. Die jährliche Weltproduktion betrug etwa 800.000 Tonnen. Der Anteil des Elementes Nickel an der Erdkruste wird auf 0,015 % geschätzt. Damit steht es in der Häufigkeitsliste an 24. Stelle zwischen Chrom und Strontium. Insgesamt finden heute über 3.000 verschiedene Nickellegierungen industriell und im privaten Bereich Verwendung. Der größte Teil der Nickelproduktion (ca. 60 bis 70 %) wird zur Stahlveredelung und zur Herstellung sogenannter Nickelbasislegierung benötigt. Ein Risiko besteht insbesondere bei der Aufbereitung und Verarbeitung von Nickelerzen zu Nickel oder Nickelverbindungen im Bereich der Raffination, bei der elektrolytischen Abscheidung von Nickel unter Verwendung unlöslicher Anoden, beim Herstellen und Verarbeiten von Nickel und Nickelverbindungen in Pulverform, beim Herstellen nickelhaltiger Akkumulatoren und Magnete, beim Lichtbogenschweißen mit nickelhaltigen Zusatzwerkstoffen, beim Plasmaschneiden von nickelhaltigen Werkstoffen, beim thermischen Spritzen mit nickelhaltigen Spritzzusätzen, beim Schleifen von Nickel und Legierungen mit erheblichem Nickelgehalt, bei der Elektrogalvanisation, bei der Fabrikation von nickelhaltigen Spezialstellen, beim Plattieren (mechanisches Vernickeln), bei der Verwendung von feinverteiltem Nickel als großtechnischer Katalysator in der organischen Chemie. Eine Exposition durch inhalative oder teilweise transkutane Aufnahme von Nickeltetracarbonyl kann bei der Herstellung von Nickel nach dem MOND-Verfahren vorliegen. Nickel kann über die Atemwege, aber auch über die Haut Eingang in den Körper finden. Insbesondere im Bereich der Nickelraffination findet sich ein erhöhtes Vorkommen von bösartigen Erkrankungen im Bereich des Bronchialsystems, der Nasenhaupt- und der Nasennebenhöhle und des Kehlkopfes. Beim Zusammentreffen von Rauchgewohnheit und beruflicher Nickelexposition können sich beide Ursachen in der Auswirkung wechselseitig hochschaukeln (Synkarzinogenese), weshalb die berufliche Ursache umso wesentlicher oder heftiger wirkt. An Gefährdungszeiten finden sich Fälle von einem bis 33 Jahren (Bronchialkrebs) oder von 3 bis 26 Jahren (Krebs der oberen Atemwege). Die Latenzzeit kann kürzer oder länger sein. In einem Einzelfall wurde gerichtlich das Kehlkopfkarzinom durch nickelhaltigen Schweißrauch nach über 30-jähriger Tätigkeit als Schweißer bestätigt. Sollten andere Zielorgane als die Lungen oder die Atemwege durch die Nickelgefährdung betroffen sein, kann sich ein Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall bei der Berufsgenossenschaft empfehlen.

Tip: Schreiben Sie an die Berufsgenossenschaft und melden Sie damit Ihren Fall an. Bezeichnen Sie Ihre Erkrankung und die Unternehmen, in welchen Sie nickelexponiert gearbeitet haben. Die Berufsgenossenschaft ist verpflichtet, Ihnen hierzu einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen.

Zur Statistik:

Jährlich werden an die 30 Fälle angezeigt. Bis zu 16 Fälle wurden neu berentet und bis zu 16 Fälle jährlich hatten einen tödlichen Ausgang. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.


Berufskrankheit Nr. 4109
Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Thomasmehl (Thomasphosphat)
 Merkblatt zu BK Nr. 36 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 11. 9.1962, BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1962, 205)
 

I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Thomasmehl (Thomasphosphat) besteht aus Phosphaten, Silikaten und Oxiden von Kalzium, Eisen und Mangan mit geringen Beimengungen von Vanadiumverbindungen u. a. Es wird gewonnen aus der Thomasschlacke, die bei der Roheisengewinnung im sogenannten Thomasverfahren anfällt. Gefahrenquellen sind z. B. beim Brechen und Mahlen der Thomasschlacke, beim Absacken, Transport (Umfüllen beschädigter Säcke), Lagern sowie beim Düngemittelmisehen und beim Ausstreuen des Düngemittels gegeben.
 

II. Aufnahme und Wirkungsweise
Staub, der in hoher Konzentration über die Atemwege auf genommen wird, kann eine Schädigung der tieferen Luftwege und der Lunge bewirken. Inwieweit physikalische (mechanische), chemisch-toxische oder infektiöse Faktoren hierbei eine Rolle spielen, ist noch nicht geklärt.
 

III. Krankheitsbild und Diagnose
Es kann zu akuten und chronischen Bronchitiden mit uncharakteristischem Verlauf kommen; im allgemeinen heilen diese nach Wegfall der Exposition komplikationslos ab. Akute kruppöse Pneumonien und Bronchopneumonien können unter einem schweren Krankheitsbild in kürzester Zeit tödlich verlaufen; sie werden aber heute nur noch selten beobachtet.
 

IV. Hinweise für die ärztliche Beurteilung
Unter Berücksichtigung der Arbeitsanamnese ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Staubexposition und Erkrankung nachzuweisen. 


Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen
Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bek. des BMA v. 16. August 1989, BABI. 11/1989)
 
Nickel (Ni) und seine Verbindungen werden in zunehmendem Maße in allen hochindustriellen Ländern verwendet. Die jährliche Weltproduktion beträgt z. Z. etwa 800 000 t. Reines Nickel ist ein silberglänzendes Metall, das sich, ähnlich wie Eisen, polieren, schmieden, schweißen, zu Blech walzen und zu Draht ziehen läßt. Es ist in massiver Form sehr widerstandsfähig gegen Luft, Wasser, Alkalien und viele organische Stoffe, dagegen wird es von anorganischen Säuren wie Salz-, Schwefel- und Salpetersäure besonders bei höheren Temperaturen angegriffen. Nickelverbindungen, wie z. B. Nickelsulfid (NiS), sulfidische Verbindungen, wie sie bei der Raffination nickelhaltiger Erze auftreten (Ni3S2) und Nickeloxid (Ni0) gelten als in Wasser praktisch unlöslich, werden aber von oxidierenden mineralischen Säuren gelöst. Dagegen sind Nickelsulfat (NiS04) und Nickelchlorid (NiCl2) in Wasser leicht löslich. Das organische Nickeltetracarbonyl (Ni(o)4) ist eine farblose Flüssigkeit, die als Zwischenprodukt bei der Nickelraffination im sog. MOND-Verfahren auftritt. Es ist in Wasser nur gering löslich und aus arbeitsmedizinischer Sicht vor allem wegen seiner akuten toxischen und chemisch-irritativen Wirkung bedeutsam.
 

I. Vorkommen und Gefahrenquelle
Der Anteil des Elementes Nickel an der Erdkruste wird auf' 0,015 Prozent geschätzt. Damit steht es in der Häufigkeitsliste an 24. Stelle zwischen Chrom und Strontium. In der Erdkruste ist Nickel fast immer an Schwefel, Kieselsäure, Arsen oder Antimon gebunden. Wichtige Nickelmineralien sind z. B. der Garnierit, der Pentlandit, der Laterit, das Nikkelit sowie der Cobalt-Antimon- und Weißnickelkies. Für die technische Nickelgewinnung sind vor allem der Garnierit und einige Magnetkiese wie der Pentlandit von Bedeutung. Insgesamt finden heute über 3 000 verschiedene Nickellegierungen industriell und im privaten Bereich Verwendung. Der größte Teil der Nickel-Produktion (ca. 60 bis 70 Prozent) wird zur Stahlveredelung und zur Herstellung sogenannter Nickelbasislegierungen benötigt. Entsprechend den vielfältigen industriellen Anwendungen besteht ein Risiko insbesondere bei folgenden Tätigkeiten und Arbeitsprozessen:
  • Aufbereitung und Verarbeitung von Nickelerzen zu Nickel oder Nickelverbindungen (auch Arbeiten an nachgeschalteten Staubfiltern) im Bereich der Raffination
  • Elektrolytische Abscheidung von Nickel unter Verwendung unlöslicher Anoden
  • Herstellen und Verarbeiten von Nickel und Nickelverbindungen in Pulverform
  • Herstellen nickelhaltiger AkkumuIatoren und Magnete
  • Lichtbogenschweißen mit nickelhaltigen Zusatzwerkstoff en in engen Räumen oder ohne örtliche Absaugung in ungenügend belüfteten Bereichen
  • Plasmaschneiden von nickelhaltigen Werkstoffen
  • Thermisches Spritzen (Flamm-, Lichtbogen-, Plasmaspritzen) mit nickelhaltigen Spritzzusätzen
  • Schleifen von Nickel und Legierungen mit erheblichem Nickelgehalt
  • Elektrogalvanisation (elektrolytisches Vernickeln von z. B. Eisenoberflächen)
  • Fabrikation von nickelhaltigen Spezialstählen (z. B. Ferronickel)
  • Plattieren (mechanisches Vernickeln)
  • Verwendung von feinverteiltem Nickel als großtechnischer Katalysator in der organischen Chemie (z. B. bei der Fetthärtung).
  • Organische Nickelverbindungen
    Eine Exposition durch inhalative oder teilweise transkutane Aufnahme von Nickeltetracarbonyl kann bei der Herstellung von Nickel nach dem MOND-Verfahren vorliegen. Grundsätzlich muß mit dem Auftreten von Ni(Co)4 immer dann gerechnet werden, wenn Kohlenmonoxid mit einer reaktiven Form von Nickel in Kontakt kommt.
     

    II. Pathophysiologie
    Die Aufnahme von Nickel und seinen Verbindungen kann durch Einatmen oder Verschlucken und im Falle des Nickeltetracarbonyls auch durch die Haut erfolgen. Nickel und seine anorganischen Verbindungen werden nach peroraler Aufnahme, ähnlich wie die Schwermetalle, nur in geringem Umfang über die Magen-Darmschleimhaut resorbiert (ein bis fünf Prozent). Über die transkutane Aufnahme beim Menschen liegen bisher keine zuverlässigen Studien vor.
    Auch die Aufnahme und Resorptionsrate nach inhalativer Exposition sind bisher nicht eindeutig geklärt.
    Im menschlichen Blut ist Nickel hauptsächlich an Albumin und L-Histidin gebunden. Peroral appliziertes Nickel scheint sich, soweit es resorbiert wird, im wesentlichen gleichmäßig über den gesamten Organismus zu verteilen. Nach Belastungen mit löslichen Nickelsalzen konnten die höchsten Konzentrationen in der Niere nachgewiesen werden. In jüngster Zeit hat sich herausgestellt, daß es z. B. bei Nickelraffineriearbeitern zu einer erheblichen Kumulation in der Lunge kommen kann.
    Grundsätzlich muß festgehalten werden, daß Nickelresorption, -stoffwechsel und -wirkung von Art und Aufnahme der applizierten Verbindung abhängen. Intestinal resorbierte anorganische Nickelverbindungen werden beim Menschen vor allem über die Faeces und in geringerem Umfang über den Urin ausgeschieden. Hingegen ist nach berufsbedingter, meist inhalativer Belastung überwiegend eine renale Elimination beschrieben. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Ausscheidungsmaximum im Urin nach peroraler Zufuhr löslicher anorganischer Nickelverbindungen im Laufe der ersten vier Stunden erreicht' Die Halbwertszeit der renalen Elimination wurde zwischen 17 und 53 Stunden bestimmt.
     
    kanzerogene Wirkung
    epidemiologische Studien weisen derzeit insbesondere für den Bereich der Nickelraffination eine erhöhte Prävalenz von Erkrankungen im Bereich des Bronchialsystems, der Nasenhaupt- und der Nasennebenhöhlen sowie des Kehlkopfes auf. Diese Ergebnisse wurden sowohl in Nickelräffinerien, die das sog. Carbonyl-Verfahren (MOND-Prozeß) praktizieren, als auch in solchen, die eine elektrolytische Aufarbeitung vornahrnen, beobachtet. Unter Berücksichtigung der Expositionsbedingungen in der Raffination sowie der bisher vorliegenden Tierversuche kann davon ausgegangen werden, daß vor allem im Wasser schwer lösliche sulfidische (Ni2S2) und oxidische Nickelerze sowie metallisches Nickel geeignet sind, karzinogene Wirkungen hervorzurufen. Über den Pathomechanismus der Karzinogengonese sind derzeit keine zuverlässigen Aussagen möglich. epidemiologische Studien aus der nickelbe- und verarbeitenden Industrie erbrachten bisher keine eindeutigen Anhaltspunkte für das vermehrte Vorkommen von Krebserkrankungen.
     

    III. Krankheitsbild und Diagnose
    Für die Zeit zwischen Beginn der Nickel-Exposition und klinischer Manifestation der Krebserkrankungen im Bereich des Bronchialsystems bzw. der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen werden in der Literatur teilweise divergierende Zeiträume genannt. Unter Berücksichtigung der relevanten Daten ist davon auszugehen, daß sie durchschnittlich 20 bis 30 Jahre beträgt.
    Grundsätzlich sind die bösartigen Erkrankungen durch Nickel oder seine Verbindungen weder bezüglich ihrer klinischen Symptomatologie noch pathologisch-anatomisch von Karzinomen anderer Genese zu unterscheiden.
     

    IV. Weitere Hinweise
    Wichtig ist eine sorgfältige Erhebung der Arbeitsanamnese im Hinblick auf eine relevante Exposition. Luftanalysen und das Biological Monitoring sind wünschenswert. Die Nickel-Bestimmung im Lungengewebe kann vor allem nach Exposition gegenüber schwerlöslichen Nickelverbindungen wichtige Zusatzinformationen über eine frühere Exposition geben. Hierbei ist die Kinetik des Nickelstoffwechsels zu beachten. Bei der Beurteilung des Risikos sind ggf. langjährige inhalative Rauchgewohnheiten als konkurrierender außerberuflicher Faktor angemessen zu berücksichtigen (Synkarzinogenese). Nickelinduzierte Hauterkrankungen in Form eines allergischen Kontaktekzems ("Nickelkrätze") fallen unter die Nr. 51 01, durch Nickel oder seine Verbindungen verursachte obstruktive

    Atemwegserkrankungen unter die Nr. 43 01 bzw. 43 02 Anlage 1 BekV.
     

    V. Literatur
  • Doll, R.: Nickel exposure: a human health hazard. In: F. W. Sunderman jr. (Hrsg.): Nickel in the Human Environment. IARC, Lyon, Vol. 53, (1984), 3-21
  • International Agency for Research on Cancer (IARC): Hrsg.: IARC-Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans, Supplement 7 "Nickel and Nickel Compounds", Lyon, (1987) 264-269
  • Ludewigs, H. J., A. M. Thiess: Arbeitsmedizinische Erkenntnisse bei der Nickelcarbonylvergiftung Zbl. Arbeitsmed., 20 (1970), 329-339
  • National Institute for Occupational Safety and Health, (NIOSH), Hrsg.: Criteria for a Recommended Standard: Occupational Exposure to Inorganic Nickel. Publication 77-164, US Government Printing Office, Washington, D. C. (1977) 1-282
  • Nriagu, J. 0., Ed.: Nickel in the Environment. Environ, Sci. Technol. Ser., J. Wiley and Sons, New York, (1980) 833
  • Raithel, H. J.: Zur gutachterlichen Problematik bei fraglich Nickel-induziertem Malignomen. Arbeitsmed., Sozialmed., Präventivmed., 22 (1987), 193-199
  • Raithel, H. J.: Untersuchungen zur Belastung und Beanspruchung von 837 beruflich Nickel-exponierten Personen. Schriftenreihe d. Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V., St. Augustin, (1987), 199
  • Reith, J. P.: Carciogenicity and Mutagenicity of Nickel and Nickel Compounds. In: F. W. Sunderman et al. (Hrsg.): Nickel in the Human Environment IARC, Lyon, Vol. 53 (1984)
  • Rigaut, J. P.: Rapport préparatoire sur les criterès de santé pour le nickel. Commission des Communautés Européennes, Luxembourg, Do. CCE/LUC/V/E/24/83 (1983)
  • Sunderman, F. W. jr.: Recent progress in nickel carcinogenesis. Toxicol. Environ. Chem. 8, (1984), 235-252
  • Vainio, H. et al.: Data on the Carcinogenicity of Chemicals in the IARC Monographs Programme. Carcinogenesis 6 (1985),1953
  •  
    Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 41091

    Quelle: 1 Universität Rostock - Medizinische Fakultät
    Institut für Präventivmedizin

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