Erkrankungen der Zähne durch Säuren
Der erhöhte Abrieb von Zahnhartsubstanzen kann durch bestimmte Staubarten, die sich nach Mundatmung am Arbeitsplatz im Speichel anreichern, verursacht werden, BK-Nr. 2111. Gefährdet sind Beschäftigte in Granitsteinbrüchen, Bergleute, Steinmetze, Steinhauer nach Einwirkung quarzhaltiger Stäube am Arbeitsplatz. Die Härte kristalliner Quarzpartikel liegt in der Größenordnung der Härte des Zahnschmelzes. Sie übertrifft diejenige des Dentins bei weitem. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen bei Granitarbeitern haben gegenüber Vergleichskollektiven größere Spurrillen mit Schmelzaussplitterungen auf den Abrasionsflächen gezeigt. Möglicherweise sind auch Sandstrahler gefährdet, die nicht eigens in dem Merkblatt erwähnt werden.
Hinweis: Nach Äußerung eines berufsgenossenschaftlichen Technischen Aufsichtsbeamten würden 3 Jahre Sandstrahlen 120 Jahren Bergbautätigkeit gleichkommen.
Berufskrankheit Nr. 1312
Merkblatt zu BK Nr. 17 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 17. 9. 1962, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1962, 202 f.)
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Säureschäden der Zähne durch anorganische Säuren (Mineralsäuren) können bei ihrer Herstellung oder Verarbeitung entstehen, z. B. bei der Salz-, Schwefel- oder Salpetersäurefabrikation, in Metallbeizereien, beim Gelbbrennen, in der Zinkelektrolyse und in den Formierabteilungen der Akkumulatorenfabriken. Zahnschäden durch organische Säuren können insbesondere durch Essig- und Ameisensäure in Textilfabriken im Stoffdruck, durch Oxalsäure in Färbereien und chemischen Reinigungen, durch Wein- und Zitronensäure in pharmazeutischen und Nährmittelfabriken auftreten. Eine besondere Gefahrenquelle sind die Mineralsäuren, vor allem die Halogenwasserstoffsäuren und die Salpetersäure, da diese schon bei normaler Temperatur flüchtig sind.
II. Aufnahme und Wirkungsweise
Säuren wirken durch den Luftstrom direkt auf die Zähne zuerst an den Stellen ein, die bei geöffnetem Mund von Weichteilen (Lippen) entblößt und relativ frei von Speichel sind. Infolgedessen treten zu Beginn Schäden in der Regel an der Vorderfläche der oberen mittleren Schneidezähne in der Gegend der Schneidekanten auf. Die unteren Frontzähne bleiben zunächst frei, später können Schäden im Bereich der Schneidekanten entstehen.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Es wird zunächst über ein Gefühl des „Stumpfwerdens“ der Zähne geklagt, das sich, im Gegensatz zur gleichen Empfindung nach Fruchtsäuregenuß, nicht wieder verliert. Die Zähne werden glanzlos und rauh. Beim Fortschreiten dieses Prozesses wird der Schmelz dünner, es kommt zum Verlust der Kontaktpunkte (Keilform der Zähne), zu zackigen Rändern, das Dentin tritt mehr und mehr hervor, wodurch die Zähne allmählich dunkel werden. Es kann eine Überempfindlichkeit gegen Temperaturunterschiede und gegen süße, salzige und saure Speisen entstehen. In der Regel verliert sich diese bald durch Bildung von Reizdentin. Außer der Zerstörung des Schmelzes kommt es zusätzlich zu einem mechanischen Zerstörungsprozeß, der an den Schneidekanten beginnt. Die Zähne werden kürzer; es entsteht der „offene Biß“. Das Ende dieses Vorganges sind verfärbte Zahnstummel. Zahnfleischerkrankungen sind nicht die Folge der Säureeinwirkung, sondern der mangelnden Mundpflege.
Die Zahnveränderungen entwickeln sich im Laufe mehrerer Jahre, können allerdings auch schon nach wenigen Monaten auftreten. Hierbei spielen neben der Säurekonzentration und der Einwirkungsdauer sowie dem Ausmaß der getroffenen Schutzmaßnahmen die Qualität des Schmelzes und die persönliche Hygiene eine Rolle.
Die Diagnose ergibt sich aus der typischen Lokalisation der Substanzverluste in Verbindung mit der Arbeitsanamnese.
Differentialdiagnostisch sind Säureschäden anderer Ätiologie und damit anderer Lokalisation abzugrenzen, z. B. gegen Schäden durch jahrelangen Genuß konzentrierter Fruchtsäfte (Fruchtsäuren), durch ungeeignete Mundwässer und Zahnpflegemittel, durch Zerstäuben und Inhalieren von Medikamenten, die geeignet sind, die Zähne anzugreifen, durch jahrelanges perorales Einnehmen von Salzsäure, ferner gegen Altersabschliff (Abrasio) und gegen die Caries dentium. B. Erkrankungen der Zähne durch in der Mundhöhle sich bildende organische Säuren
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Es handelt sich hier um Schädigungen der Zähne durch organische Säuren, die auf Grund von Gärungsprozessen in der Mundhöhle entstehen (Milchsäure, Buttersäure, Brenztraubensäure).
Diese Gärungsprozesse werden durch gleichzeitige Einwirkung von Mehl und Zucker, Mehl und Hefe oder besonders durch Einwirkung von Mehl, Zucker und Hefe hervorgerufen. Schäden werden überwiegend bei Konditoren, Lebkuchenbäckern und bei Arbeitern in der Süßwarenindustrie beobachtet, selten dagegen in Brotbäckereien und Mühlenbetrieben; daher kommt die Bezeichnung „Zuckerbäckercaries“.
II. Aufnahme und Wirkungsweise
Die Aufnahme erfolgt sowohl durch Mehl- und Zuckerstaub in der Luft, vor allem aber dadurch, daß die Mehl- und Zuckererzeugnisse abgeschmeckt werden müssen. Es können alle Zähne befallen werden. Zucker und Mehl setzen sich bevorzugt an den Zahnhälsen ab und begünstigen unter Mitwirkung der Hefe diese Erkrankungen.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Die „Zuckerbäckercaries“ entwickelt sich rasch und befällt gleichzeitig mehrere Zähne. Sie beginnt charakteristisch im gingivalen Abschnitt der Zähne und breitet sich sehr bald auf die Labialflächen, besonders der Frontzähne, aus. Die Seitenflächen der Zähne werden erst später befallen.
Wichtig für die Diagnose „Zuckerbäckercaries“ ist neben der Arbeitsanamnese eine Vielzahl oberflächlicher ausgedehnter Zahnhalsdefekte, die auf die Labialflächen übergreifen. Die nicht berufsbedingte Caries beginnt vorwiegend an den Fissuren oder zwischen den Zähnen.
IV. Hinweise für die ärztliche Beurteilung
zu A und B
Bei der ärztlichen Beurteilung sind Art, Umfang und Dauer der beruflichen Tätigkeit, ihr zeitlicher Zusammenhang mit der Erkrankung und Art und Lokalisation der Zahnschäden zu beachten.
Die Beurteilung der Erkrankungen der Zähne durch Säuren kann schwierig sein; ihre Begutachtung sollte durch einen auf diesem Gebiet erfahrenen Zahnarzt vorgenommen werden.
Die unter A genannten Schäden sind relativ selten.
Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 13121
Quelle: 1 Universität Rostock – Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin