Hartmetallstäube (Lungenfibrose)

Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen

Hartmetalle sind pulvermetallurgisch erzeugte Werkstoffe, die sich durch ihre große Verschleißfestigkeit, Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit auszeichnen. Man unterscheidet Sinterhartmetalle, Aufschweißlegierungen und Aufspritzpulver auf Carbidbasis. Nur noch geringe Bedeutung sollen heute die Gußcarbide haben. Sinterhartmetalle bestehen vorwiegend auch hochschmelzenden Carbiden von besonders geeigneten Metallen, wie Wolfram, Titan, Tantal, Niob, Molybdän, Chrom und Vanadium. Als Bindemittel sind Kobalt, selten Nickel oder Eisen zugesetzt. Die Herstellung von Sinterhartmetallen verläuft über mehrere Stufen: Das feingemahlene Carbidpulver wird mit dem Metallpulver vermischt, isostatisch zu einer Form gepreßt und bei ca. 600 bis 900 Grad C. vorgesintert. Nach anschließender Rohbearbeitung in Form von Schleifen, Bohren, Sägen, Drehen erfolgt die Fertigsinterung bei ca. 1.350 bis 1.600 Grad C. im Vakuum oder unter Schutzgas. Sinterhartmetalle werden als Schnittwerkzeuge in der spangebenden Verarbeitung bei der Metallbearbeitung, als Mahlwerkzeuge, bei der Gesteinsbearbeitung ( Bergbau und Tunnelbau), bei der spanlosen Bearbeitung, als Preß- und Ziehwerkzeuge (Draht) und als Verschleißschutz eingesetzt. Aufspritzpulver etwa bestehen aus gegossenen Wolframcarbidkörnern und einem Bindematerial (Basis NickelChrom – Bohr). Diese Pulver werden mittels Auftragsbrenner oder Aufspritzpistolen auf verschleißbeanspruchte Stahlteile aufgebracht. Gefahrenquellen sind insbesondere Stäube beim Mahlen und Mischen der Ausgangsstoffe (Carbide), Dämpfe und Rauche beim metallischen Verhüttungsprozeß in Sinteröfen, d.h. beim Reduzieren, Karburieren, Vorsintern und Fertigsintern der Ausgangsstoffe oder Zwischenprodukte, Stäube bei der Rohbearbeitung, z.B. beim Drehen, Bohren, Sägen und Schleifen der vorgesinterten Teile, Stäube bei der Feinbearbeitung, z.B. beim Schleifen mittels Diamant- oder Korundscheiben des fertiggesinterten Materials sowie bei der Nachbearbeitung von Schneidwerkzeugen. Unter allen Exponierten sind die Hartmetallschleifer offenbar am stärksten gefährdet, an einer Lungenfibrose zu erkranken. Besondere Bedeutung scheint hierbei das Kobalt zu haben. In der Dermatologie, also bei den beruflichen Hauterkrankungen etwa, sind Nickel und Kobalt bereits seit langem als Allergene bekannt. Atemnot, trockener Husten, Tachypnoe, basales Knisterrasseln können auftreten wie im weiteren Verlauf Cyanose, Trommelschlegelfinger und Zeichen des Cor pulmonale. Diagnostische Hinweise können eine Schwermetallbestimmung im biologischen Material (Blut, Urin) geben.

Vorsicht: Die Suche nach verbliebenen Schadstoffen im Körper kann zu Mißverständnissen und zu voreiliger Ablehnung durch die Berufsgenossenschaft führen. Bei einer beruflichen Lärmerkrankung sucht man auch nicht Jahrzehnte später noch nach dem Lärm im Ohr. Im Rahmen der Asbesterkrankungen stellt man oftmals auch fest, daß der zu 90 % eingesetzte Weißasbest später nicht mehr im Körper bzw. in der Lunge auffindbar ist. Man spricht von einem sogenannten „Fahrerfluchtphänomen“.

Wichtig also bei der Lungenfibrose durch Hartmetallstäube sind die Arbeitsanamnese bzw. Arbeitsvorgeschichte, die üblichen Symptome und der Röntgenbefund der Lunge. Bezüglich der Inhaltsstoffe Chrom und Nickel wird im Merkblatt des BMA auf die entsprechenden Berufskrankheitenlistennummern hingewiesen. Es läßt sich nicht länger die Behauptung aufrecht erhalten, die Hartmetallexposition von Werkzeugschleifern wäre zu vernachlässigen. Insofern liegen neue arbeitsmedizinische Erkenntnisse vor. Die Lungenfibrose der Schweißer soll nicht unter Nr. 4107 fallen. Diese dürfte aber richtig unter die Berufskrankheit nach neuer medizinischer Erkenntnis gem. § 551 Abs. 2 bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII entschädigungspflichtig sein.

Zur Statistik:

Jährlich werden über 60 bis an die 90 Fälle der Lungenfibrose durch Hartmetallstäube angezeigt. Verschwindend wenige Fälle werden neu berentet. Hier mag eine hohe Dunkelziffer vorliegen. Bei Lungenfibrosen wird auch im Asbestbereich oft auf eine angeblich schicksalhafte Entstehung abgehoben, und der Streit darum ist nachgerade heftig, unter welchen Voraussetzungen man die Lungenfibrose der entsprechenden beruflichen Belastung zurechnen kann.
Berufskrankheit Nr. 4107

Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen
Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bek. des BMA v. 13. 5. 1983, BArbB1 7/8 1983)

Hartmetalle sind pulvermetallurgisch erzeugte Werkstoffe, die sich durch ihre große Verschleißfestigkeit, Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit auszeichnen. Man unterscheidet Sinterhartmetalle, Aufschweißlegierungen und Aufspritzpulver auf Carbidbasis. Nur noch geringe Bedeutung haben heute Gußcarbide.

Sinterhartmetalle bestehen vorwiegend aus hochschmelzenden Carbiden von besonders geeigneten Metallen, wie Wolfram, Titan, Tantal, Niob, Molybdän, Chrom und Vanadium. Als Bindemittel sind Kobalt, selten Nickel oder Eisen zugesetzt. Die Herstellung von Sinterhartmetallen verläuft über mehrere Stufen: Das feingemahlene Carbidpulver wird mit dem Metallpulver vermischt, isostatisch zu einer Form gepreßt und bei ca. 600 bis 900° C vorgesintert. Nach anschließender Rohbearbeitung in Form von Schleifen, Bohren, Sägen, Drehen, erfolgt die Fertigsinterung bei ca. 1350 bis 1600′ C im Vakuum oder unter Schutzgas.
Sinterhartmetalle werden
1. als Schnittwerkzeuge in der spangebenden Verarbeitung bei der Metallbearbeitung,
2. als Mahlwerkzeuge bei der Gesteinsbearbeitung (Bergbau und Tunnelbau),
3. bei der spanlosen Verarbeitung als Preß- und Ziehwerkzeuge (Draht) und
4. als Verschleißschutz eingesetzt.
Sofern eine Nachbearbeitung von gesinterten Hartrnetallen notwendig ist, geschieht dies in der Regel durch Naßschleifen mit Diamant- und Korundscheiben. Darüber hinaus findet auch das Funkenerosionsverfahren Anwendung.
Aufschweißlegierungen bestehen aus gegossenem und anschließend zerkleinertem Wolframcarbid. Letzteres wird in Stahlröhrchen gefüllt, die als Schweißelektroden verwendet werden. Beim Schweißen entsteht eine hochharte Legierung, die der Panzerung von Maschinen bzw. Maschinenteilen mit hohem abrasivem Verschleiß dient.

Aufspritzpulver bestehen aus gegossenen Wolframcarbidkörnern und einem Bindematerial (Basis NickelChrom-Bor). Diese Pulver werden mittels Auftragsbrenner oder Aufspritzpistolen auf verschleißbeanspruchte Stahlteile aufgebracht. Gußcarbide sind gegossene Fremdkörper aus Kobalt und Nickel oder Kobalt und Eisen mit Carbidbildern wie Chrom, Molybdän, Wolfram. Sie enthalten bis zu 4% Kohlenstoff.

I. Gefahrenquellen
Als Gefahrenquellen gelten insbesondere:

  • Stäube beim Mahlen und Mischen der Ausgangsstoffe (Carbide)
  • Dämpfe und Rauche beim metallischen Verhüttungsprozeß in Sinteröfen, d. h. beim Reduzieren, Karburieren, Vorsintern und Fertigsintern der Ausgangsstoffe oder Zwischenprodukte
  • Stäube bei der Rohbearbeitung, z. B. beim Drehen, Bohren, Sägen und Schleifen der vorgesinterten Teile
  • Stäube bei der Feinbearbeitung, z. B. beim Schleifen mittels Diamant- oder Korundscheiben des fertiggesinterten Materials sowie bei der Nachbearbeitung von Schneidwerkzeugen

II. Pathophysiologie
Lungengängiger Staub oder Rauch des vor- und fertiggesinterten oder gegossenen Materials kann in der Lunge zu fibrotischen Veränderungen führen. Die Pathogenese dieser Erkrankungen ist noch nicht in vollem Umfang bekannt. Unter allen Exponierten sind die Hartmetallschleifer am stärksten gefährdet. Durch den konstanten Hartmetallabrieb einerseits und die Wiederverwendung des Schleifwassers andererseits werden die Einzelbestandteile der Hartmetalle kontinuierlich im Schleifwasser angereichert. Besondere Bedeutung scheint hierbei das Kobalt zu haben; über die Rolle einiger anderer Bestandteile der Hartmetalle sind sichere Aussagen noch nicht möglich. Das metallische Kobalt wird im Schleifwasser ionisiert und kann als lungengängiges Aerosol leichter resorbiert werden als der trockene Schleifstaub. Die ionisierte Form des Kobalt reagiert mit Proteinen und wirkt vermutlich als Hapten,wodurch die Bildung spezifischer Antikörper möglich wird. In der Dermatologie sind Nickel und Kobalt bereits seit langerm als Allergene bekannt.

III. Krankheitsbild.und Diagnose
Das Krankheitsbild ist durch eine interstitielle Lungenfibrose charakterisiert. Eine obstruktive Atemwegserkrankung kann als Komplikation hinzutreten. Die interstitielle Lungenfibrose wird nach mehrjähriger Expositionsdauer beobachtet. Frühsymptome sind Atemnot und trockener Husten. Neben einer Tachypnoe und basalem Knisterrasseln können im weiteren Verlauf Cyanose, Trommelschlegelfinger und Zeichen des Cor pulmonale beobachtet werden. Von besonderer Bedeutung für die Diagnose ist die Thoraxübersichtsaufnahme. Je nach Schweregrad der Erkrankung zeigt sich eine netzförmig-streifig vermehrte Lungengrundzeichnung. Später kann eine meist feine Körnelung mit Verschmelzungstendenzen hinzutreten. Die Hili sind oft symmetrisch verdichtet und von der Umgebung scharf abgegrenzt. Außerdem können schmetterlingsförmige Trübungsbezirke auftreten. Diese im Röntgenbild erkennbaren Veränderungen sind relativ uncharakteristisch und entsprechen den Röntgenbildern bei anderen Fibrosen. Die pulmokardialen Funktionsausfälle entsprechen denen einer interstitienen Lungenfibrose. Es finden sich Hinweise auf eine restiktive Ventilationsstörung. Eine belastungsabhängige Erniedrigung des arteriellen Sauerstoffdrucks im Sinne einer Diffusionsstörung wird häufig beobachtet. Später kann eine obstruktive Komponente hinzutreten. Diagnostische Hinweise kann eine Schwermetallbestimmung im biologischen Material (Blut, Urin) geben.

IV. Weitere Hinweise
Der begründete Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit ergibt sich aus der Arbeitsanamnese, aus der Symptomatik und dem Röntgenbefund der Lunge. Bei der differentialdiagnostischen Klärung der Erkrankung müssen Lungenfibrosen anderer oder unbekannter Genese in Betracht gezogen werden.
Bezüglich der Inhaltsstoffe Chrom und Nickel wird auf die entprechenden Merkblätter verwiesen.

V. Literatur

  • Friberg, L., Nordberg, G. F., Vouk, V. B.: Handbook on the Toxicology of Metals, Elsevier/North Holland Biomedical Press (1979)
  • Hartung, M., Lang, C.: Aktuelle Aspekte zur Anerkennung einer Hartmetallfibrose der Lunge als Berufskrankheit. In: Bericht über die 20. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin e. V., Innsbruck, 27.-30. April 1980, S. 325-332, A. W. Gentner Verlag, Stuttgart (1980)
  • Hartung, M., Schaller, K. H., Schildmayer, H., Weltle, D., Valentin, H.: Untersuchungen zur Cobaltbelastung von Hartmetallschleifern. In: Bericht über die 21. Jahregtagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin e. V. Berlin, 13.-16. Mai 1981, S. 175-178. A. W. Gentner Verlag, Stuttgart
  • Hartung, M., Schaller, K. H., Brand, E.: On the Question of the Pathogenetic Importance of Cobalt for Hard Metal Fibrosis of the Lung. Int. Arch. Occup. Environ. Health 1982, S. 53-57, Springer Verlag 1982
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  • Moschinski, G., Jurisch, A., Reinl, W.: Die Lungenveränderungen bei Sinterhartmetall-Arbeitern. Arch. Gewerbepath. Gewerbehygiene. 16, 697-720 (1959)
  • Reber, E., Burckhardt, P.: Über Hartmetallstaublungen in der Schweiz. Respiration 27, 120-153 (1970)
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  • Scherrer, M., J.-M.:. Hartmetall-Pneumopathien. Schweiz. Med. Wschr. 112, 198-207 (1982)
  • Valentin, H., Lehnert, G., Petry, H., Weber, G., Wittgens, H., Woitowitz, H.-J.: Arbeitsmedizin 2. Aufl., Thieme, Stuttgart (1979)
  • Criteria for Controlling Occupational Exposure to Cobalt. In: NIOSH, Occup Hazard Assessment.

Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 41071

Quelle: 1 Universität Rostock – Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin

Krankheit, die durch die berufliche, versicherte Tätigkeit verursacht worden ist