Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft
Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft, also durch Druckluftarbeiten, sind in der Berufskrankheitenliste unter der Nr. 2201 geführt. Gefahrenquellen sind z.B. Arbeiten, die unterhalb des Grundwasserspiegels oder im Wasser mit Hilfe von Senkkästen, den sogenannten Caissons, bei Tunnelbauten nach dem Schildvortriebsverfahren sowie in Taucheranzügen oder Taucherglocken vorgenommen werden müssen. Druckluftarbeiter oder Taucher befinden sich je nach Arbeits- oder Wassertiefe in unterschiedlich hohem Überdruck ( 1 atü entspricht einem Druck von 1 kg pro Quadratzentimeter oder etwa 10 m Wassertiefe.). Zwischen Gesundheitsstörungen beim Übergang von Normal- auf Überdruck, beim Einschleusen und den eigentlichen Druckfallerscheinungen durch zu schnelles Ausschleusen wird unterschieden. Mit steigendem Druck werden die in der Atemluft enthaltenen Gase, insbesondere Stickstoff, vom Körper vermehrt aufgenommen. Der sich im Körper vollziehende Lösungsvorgang dieser Gase verlangsamt sich mit zunehmender Sättigung. Der Grad der Sättigung ist abhängig von der Arbeits- oder Tauchtiefe, Expositions- oder Tauchzeit usw.. Die Entsättigung des Körpers muß langsam vor sich gehen, damit der bei Druckentlastung freiwerdende Stickstoff über das Herz und Kreislaufsystem und die Atmungsorgane abgeatmet werden kann. Erfolgt die Druckherabsetzung zu schnell, so kann frei gewordener Stickstoff in Körperflüssigkeiten, wie Blut, Lymphe, Liquor, Gelenkflüssigkeiten sowie auch in den Geweben zur Bildung von Gasblasen führen.
Vorsicht: Luftembolien sind die häufigsten Ursachen der Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft.
Querschnitts- und Halbseitenlähmung können die Folge sein. Es wird auch von Hautmarmorierungen berichtet.
Fall: Ein vom Verfasser betreuter deutscher Tauchlehrer hatte bei einer Tauchprüfung in der Bretagne beim Auftauchen eine schwere Hirnschädigung mit angedeuteter Tetraplegie erlitten, welche die deutsche Verwaltungs-Berufsgenossenschaft auf den Rechtsstreit hin als Arbeitsunfall mit hoher MdE zu entschädigen hat.
Der Betroffene, der Dipl.-Ingenieur war, wurde durch diesen Taucherunfall zugleich berufsunfähig, sodaß auch die Rentenversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente zahlt.
Berufskrankheit Nr. 2201
Merkblatt zu BK Nr. 24 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 24.2.1964, BArbB1 Fachteil Arbeitsschutz 1964, 33)I. Vorkommen, Gefahrenquellen und Entstehungsweise
Arbeiten in Druckluft (Druckluftarbeiten) sind solche, die in einem Luftdruck durchgeführt werden, der über dem atmosphärischen Druck liegt. Dies sind z. B. Arbeiten, die unterhalb des Grundwasserspiegels oder im Wasser mit Hilfe von Senkkästen, den sog. Caissons, bei Tunnelbauten nach dem Schildvortriebsverfahren sowie in Taucheranzügen oder Taucherglocken vorgenommen werden müssen. Druckluftarbeiter oder Taucher befinden sich je nach Arbeits- oder Wassertiefe in unterschiedlich hohem Überdruck (1 atü entspricht einem Druck von 1 kg/qcm oder 2 ata oderetwa 10 m Wassertiefe) und werden später wieder nach bestimmten festgesetzten Zeiten in den normalen Atmosphärendruck zurückgebracht. Mit steigendem Druck werden die in der Atemluft enthaltenen Gase, insbesondere Stickstoff,vom Körper vermehrt aufgenommen. Der sich im Körper vollziehende Lösungsvorgang dieser Gase verlangsamt sich mit zunehmender Sättigung. Der Grad der Sättigung ist abhängig vonder Arbeits- oder Tauchtiefe, Expositions- oder Tauchzeit sowie der unterschiedlich starken Durchblutung und dem unterschiedlich großen Stickstoffbindungsvermögen der Körpergewebe. Dabei tritt zuerst eine Sättigung der Körperflüssigkeiten, nach längerer Einwirkungsdauer eine solche der lipoid- und fetthaltigen Gewebe ein. Die Entsättigung des Körpers muß langsam vor sich gehen, damit der bei Druckentlastung freiwerdende Stickstoff über das Herz- und Kreislaufsystem und die Atmungsorgane abgeatmet werden kann. Erfolgt die Druckherabsetzung zu schnell, so kann freigewordener Stickstoff in Körperflüssigkeiten, wie Blut, Lymphe, Liquor, Gelenkflüssigkeiten, sowie auch in den Gewebenzur Bildung von Gasblasen führen. Luftembolien sind die häufigsten Ursachen der Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft. Ebenso kann die sog. autochthone Stickstoffentbindung, d. h. das Freiwerden von Stickstoff innerhalb der Zellen, vorübergehendeoder dauernde Gesundheitsschäden bewirken.
II. Krankheitsbild und Diagnose
Zu rascher Übergang von Normal- auf Überdruck (Einschleusen in den Caisson, Abstieg im Wasser) kann infolge mangelnden Druckausgleichs, z. B. in Ohrtuben, Stirn- und Kieferhöhlen,zu Kopf- und Ohrenschmerzen, bei schadhaftem Gebiß auch zu Zahnschmerzen führen. Nach zu schnellem Ausschleusen oder Auftauchen treten innerhalb der ersten halben Stunde, vielfach auch erst nach Stunden oder Tagen, je nach Größe, Anzahl oder Lokalisation imKörper befindlicher Gasblasen, mehr oder weniger heftige „Druckfallbeschwerden“ auf. Zu den Krankheitssymptomen gehören z. B. Gelenk- und Muskelschmerzen, Ohrensausen, Schwerhörigkeit, Mono-Paraplegie, Tonusverlust der Muskulatur („Zusammensinken desKörpers“), Aphasie und Asphyxie. Mehrtägige Temperatursteigerungen beruhen evtl. auf einer gestörten Wärmeregulation. Örtliche Zirkulationsstörungen können Gefäßerweiterungen, Ödeme und Marmorierung der Haut verursachen. Auch ein Herzinfarkt infolge von Stickstoffgasembolie ist möglich. In der Regel klingen Beschwerden und Symptome der Drucklufterkrankung nach Wiedereinschleusung (Rekompression auf den vorausgegangenen Arbeitsdruck), die in jedem Falle die in Frage kommende Behandlungsmaßnahme ist, in relativ kurzer Zeit ab. Dauernde Lähmungen, vorwiegend der unteren Gliedmaßen sowie Symptome des Menièreschen Syndroms, sind infolge der Stickstoffgasembolien im Zentralnervensystem möglich. Auch vorübergehende psychische Störungen, epileptiforme Anfälle, Schäden im Hirnstamm und evtl. röntgenologisch nachzuweisende Dauerschäden in den großen Gelenken können Folgeerkrankungen von Arbeit in Druckluft sein.
III. Hinweise für die ärztliche Beurteilung
Für die Diagnoseerstellung und Beurteilung sind die eingehende Anamnese und Ermittlung der speziellen Arbeitsbedingungen hinweisgebend. Dabei ist die Kenntnis der Arbeitstiefen oder Atmosphären-Überdrucke und des Bodenprofils, der Ein- und Ausschleusungszeiten sowie der Dauer der Arbeiten im Überdruck von Wichtigkeit.
Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 22011
Quelle: 1 Universität Rostock – Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin