Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen
Erkrankungen durch Fluor und seine Verbindungen finden sich in der Berufskrankheitenliste zu Nr. 1308. Flußsäure wird unter anderem als Ausgangsstoff für Fluorverbindungen, zum Glasätzen, -mattieren und -polieren, bei der Gebäudereinigung, zum Beizen und Glänzen von Edelstählen, zur Entkieselung und in der Galvanotechnik benötigt. Gefahren durch Fluoride können z.B. bei der Anwendung als Fluß- und Trübungsmittel in der Emaille- und Glasindustrie, bei vielen galvanischen Prozessen, beim Schmelzen von Metallen, beim Schweißen und Löten von Leichtmetallegierungen, in der Farben- und Erdölindustrie und besonders bei der elektrolytischen Herstellung von Aluminium auftreten. Auch bei der Schädlingsbekämpfung und Holzkonservierung sowie beim Wasserdichtmachen von Kunststeinfußböden und Zement (Fluatieren) werden Fluorverbindungen verwendet. Den meisten als Treibmittel (Freone) , für Druckgaspackungen, zur Kunststoffverschäumung, als Löschmittel (Halone), Kältemittel, Extraktions-, Löse-, Reinigungs- und Verdünnungsmittel verwendeten aliphatischen Fluorverbindungen kann auch eine Toxizität zukommen. Fluorverbindungen können inhalativ wie perkutan, eventuell auch oral einwirken. Massive Einatmung kann akut zu Lungenödem und chronisch zu bleibenden Schäden am Atemtrakt führen. Fluorwasserstoff oder Fluoridstaub können nach langjähriger Einwirkung rheumatoide Beschwerden auftreten. Man spricht von einer Knochenfluorose. Früher wurden offenbar nur Erkrankungen der Knochen, Gelenke und Bänder entschädigt. Heute ist die Berufskrankheitenbezeichnung weiter gefaßt, sodaß auch ein Lungenödem und Atemwegsschaden entschädigt werden kann.
Berufskrankheit Nr. 1308
(Bek. des BMA v. 25. 2. 1981 Im BArbB1 Heft 4/1981)Fluor (F) ist ein grünlich-gelbes, sehr reaktionsfähiges Gas und schwerer als Luft. Es kommt nicht frei in der Natur vor. Die wichtigsten natürlich vorkommenden Fluorverbindungen sind Flußspat (CaF2) und Apatitt (3Ca3[P04]2 . CaF2). Fluorwasserstoff (HF) siedet bei 20° C. Unterhalb des Siedepunktes handelt es sich um eine farblose, an feuchter Luft stark rauchende Flüssigkeit, die in jedem Verhältnis mit Wasser zu Flußsäure mischbar ist. Fluoride sind Salze der Flußsäure. Unter den organischen Fluorverbindungen sind die aliphatischen Verbindungen sowie deren Polymere in der Praxis bedeutsamer als die aromatischen.
I. Gefahrenquellen
Gefahren bestehen besonders bei gewerblichem Umgang mit Fluor, Fluorwasserstoff, Flußsäure und löslichen Fluoriden. Flußsäure wird u. a. als Ausgangsstoff für Fluorverbindungen, zum Glasätzen, -mattieren und -polieren, bei der Gebäudereinigung, zum Beizen und Glänzen von Edelstählen, zur Entkieselung und in der Galvanotechnik benötigt. Gefahren durch Fluoride können z. B. bei der Anwendung als Fluß- und Trübungsmittel in der Emaille- und Glasindustrie, bei vielen galvanischen Prozessen, beim Schmelzen von Metallen, beim Schweißen und Löten von Leichtmetallegierungen, in der Farben- und Erdölindustrie und besonders bei der elektro1ytischen Herstellung von Aluminium auftreten. Auch bei der Schädlingsbekämpfung und Holzkonservierung sowie beim Wasserdichtmachen von Kunststeinfußböden und Zement (Fluatieren) werden Fluorverbindungen verwendet. Den meisten als Treibmittel (Freone), für Druckgaspackungen, zur Kunststoffverschäumung, als Löschmittel (Halone), Kältemittel, als Extraktions-, Löse-, Reinigungs- und Verdünnungsmittel verwendeten aliphatischen Fluorverbindungen kommt eine geringere Toxizität zu. Bei den meisten in der Arzneimittelindustrie verarbeiteten aromatischen Fluorkohlenwasserstoffen können in höheren Konzentrationen Reizwirkungen auf die Schleimhäute auftreten. Ähnliches gilt für die ordnungsgemäße Verarbeitung hochwertiger Kunststoffe auf der Basis polymerer
Fluorverbindungen (Teflon), bei deren Überhitzung allerdings gesundheitsschädliche Dämpfe auftreten.
II. Pathophysiologie
Die Aufnahme von Fluorverbindungen kann bei der Arbeit sowohl inhalativ als auch perkutan, seltener auch oral erfolgen. Zwischen der toxischen Wirkung von Fluor, Fluorwasserstoff, Flußsäure und löslichen Fluoriden bestehen nur graduelle Unterschiede. Flußsäure durchdringt die Haut, zerstört tiefere Gewebsschichten und kann resorptiv durch chemische Bindung des F-Ions an Kalzium- oder Magnesiumionen eine Hemmung lebenswichtiger Enzyme und akut bedrohliche Stoffwechselstörungen, z. B. im Kalzium- und Kohlehydrathaushalt, bewirken. Langjährige hohe Fluoraufnahme kann eine Störung des Mineralstoffwechsels verursachen, die zu schweren Knochenschäden, meist i. S. einer Osteosklerose (Knochenfluorose) führt. In seltenen Fällen wird nach chronischer Fluoreinwirkung auch Osteoporose beobachtet. Die Wirkungen einiger äußerst giftiger organischer Fluorverbindungen, wie der den Zitratzyklus blockierenden Monofluoressigsäure und einiger zu irreversibler Cholinesteraseblockierung führender Fluorphosphonate, sind atypisch.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Einwirkungen von gas-, nebel-, rauch- oder staubförmigen Fluorverbindungen auf Schleimhäute führen zu örtlichen Reizerscheinungen. Massive Einatmung kann akut zu Lungenödem und chronisch zu bleibenden Schäden am Respirationstrakt fuhren. Bei der praktisch bedeutsamen Einwirkung auf die Haut durchdringt das Fluor-Ion rasch die Epidermis und führt unter starken Schmerzen zu tiefen, sich schnell ausbreitenden, schwer heilenden Kolliquationsnekrosen. Gelegentlich wird nach der Verätzung ein schmerzfreies Intervall beobachtet. Resorptiv kann es zu systemischer Wirkung kommen. Bei der gewerblich seltenen oralen Aufnahme von Fluorverbindungen werden, neben Verätzungen im Magen-Darm-Kanal, Krämpfe und akute Leber-, Herz- und Nierenschäden beobachtet. Bei Überhitzung von Kunststoffen auf der Basis von Fluorpolymeren können nach kurzer Latenzzeit mehrstündige Störungen des Allgemeinbefindens mit Fieber auftreten. Bei noch höheren Temperaturen treten Zersetzungsprodukte mit Reiz- und Ätzwirkung auf.
Nach langjähriger Einwirkung von Fluorwasserstoff oder Fluoridstaub können rheumatoide Beschwerden auftreten, die ihre Ursache in einer Osteosklerose besonders der spongiösen Knochen wie denen des Beckens, der Wirbelsäule und der Rippen haben (Knochenfluorose). Erste röntgenologische Zeichen (in Weichstrahltechnik) sind Verknöcherungen an Bänder- und Sehnenansätzen, z. B. am Knie- und Ellenbogengelenk. Im weiteren Verlauf treten röntgenologisch in Erscheinung:
1. Grobe, unscharfe Bälkchenstruktur an Wirbelkörpern, Rippen und Becken; vermehrte Knochensklerosierung,
2. zunehmende homogene Schattendichte der Knochen; Spangenbüdung an der Wirbelsäule, Einengung der Markhöhle langer Röhrenknochen,
3. ebunisiertes Bambusstabbild der Wirbelsäule, ausgedehnte Verkalkung der Sehnen und Gelenkkapseln. Multiple Periostreaktionen, Exostosen, Ankylosierung der Kreuzbeinfugen.
Eine chronische Fluorerkrankung (Fluorose) ist im allgemeinen dann anzunehmen, wenn folgende Hinweise gegeben sind:
1. Polyarthralgie
2. Verknöcherte Bandansätze
3. Erhöhte Fluoridausscheidung im Urin
Eine Zahnfluorose mit Schmelzveränderungen tritt im allgemeinen nur während der Ameloblasten (Adamantoblasten-)Aktivität, also bis etwa zum 14. Lebensjahr auf. Flußsäuredämpfe können einen Säureschaden der Zähne verursachen.
IV. Weitere Hinweise
Die Verwendung von Fluorverbindungen hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Die pathophysiologische Wirkung einer Fluorverbindung ist aus der chemischen Formel nicht immer ablesbar. Chemisch nahestehende Fluorverbindungen, wie z. B. Schwefelpentafluorid und Schwefelhexafluorid, können in ihrer Giftigkeit erheblich differieren. Die Bestimmung der Fluoridkonzentration im Harn (Urin am Ende der Arbeitszeit nach mindestens drei vorangegangenen Expositionstagen) kann zur Frühdiagnose einer Fluorose wertvoll sein.
Isoliert auftretende Schädigungen des Zahnschmelzes durch Flußsäure fallen unter Nr. 1312 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung. Erkrankungen durch Fluorkohlenwasserstoffe mit vorwiegender Symptomatik am zentralen Nervensystem und Leberparenchym (z. B. Narkosegase wie Halothan) fallen unter Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung.
V. Literatur
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- Zober, A., Schaller, K. H.: Fluoridbestimmung im Harn, Analysen im biologischen Material. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der DFG. Verlag Che-. mie, Weinheim, 1976.
- Zober, A., Geldmacher v. Mallinckrodt, M., Schaller, K. H.: Renal Fluoride Excretion as a Useful Parameter for Monitoring Hydrofluoric Acid-Exposed Persons. Int. Arch. Occup. Environ. Hlth. 40,13-24 (1977).
Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 13081
Quelle: 1 Universität Rostock – Medizinische Fakultät
Institut für Präventivmedizin